Heft 
(1969) 8
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daß er den Bericht ursprünglich für die reaktionäre ,Preußische (Kreuz-) Zeitung geschrieben hatte. Die spätere politische Entwicklung Fon­tanes dürfte mit ein Anlaß gewesen sein, daß er sein Urteil änderte; am 20. 6.1879 schreibt er an seine Frau, er glaube,daß Dickens Talent viel größer sei als das Thackerays. 67 Ferner in seiner Biographie über Fon­tane schreibt Reuter:Parallelen, schief gezogen, sind zu unübersteig- baren Grenzen geworden. Die Stellung, die Fontane in den letzten Sätzen bezogen hat, ist eindeutig. Das Wort von der .gesunden Reaktion gehört zu den bösesten, die er je geschrieben hat. Kein Zweifel: die Sätze haben Gewicht, sollen es haben.

Geopfert wurde eine Überzeugung. Es war die Absage an die Vergangen­heit, die private wie die historische, zugunsten einer miserablen Gegen­wart. Es war das Balancespiel, nunmehr in seinem gefährlichsten Akt. Leicht hätte auch das .Programm dabei verspielt werden können, dessen Ansätze soeben erst entwickelt worden waren. 68

Ob Fontane Dickens in diesem Punkt vollkommen richtig verstanden hat, ist eine andere Frage, denn Dickens ist viel mehr bemüht, die Unmensch­lichkeit seitens der ganzen Gesellschaft nicht nur seitens des Adels anzugreifen und zu beseitigen, als die Aristokratie allein zu kritisieren. Eher tat dies der zu dieser Zeit von Fontane bevorzugte Thackeray, wie z. B. in seinemBook of Snobs. Aber das Wichtigste an der Kritik Fon­tanes an Dickens ist, wie Reuter richtig zeigt, der allgemeine Ton der Fontaneschen Ablehnung der Gesellschaftskritik von Charles Dickens. Dickens, selbst der Sohn armer Eltern, wußte bereits Bescheid über die Dinge, die er beschrieb, und war als Sozialreformer sehr erfolgreich. 69 Sein Realismus in den Darstellungen der schrecklichen Zustände, in denen viele arme Leute lebten, war dazu notwendig und blieb trotzdem ein Werk der Dichtung. Über Fontanes sich wandelnde Einstellung zum Realismus 70 können wir in dieser Untersuchung nicht näher eingehen sie bedarf ihrer eigenen Untersuchung.

Was uns aber im Moment viel wichtiger erscheint, ist das Licht, das Fontanes derzeitige Einstellung zu Dickens auf die Bedeutung der Freund­schaft zwischen Fontane und Morris wirft.

Denn gerade über Dickens haben die beiden Freunde doch lebhaft disku­tiert, und aus den bereits zitierten Stellen der Schriften Fontanes können wir schließen, daß Fontane Dickens nicht vertrat, James Morris dagegen, in dessen sozialreformatischem Sinne Dickens schrieb, sehr wohl. Mit anderen Worten: gerade zu der Zeit, als sich Fontane der Reaktion näherte, war er gleichzeitig der Freund eines Sozialreformers.

Kurz gesagt: wir haben versucht herauszuarbeiten, wie Fontane und Mor­ris, die beiden Freunde, während des dritten Aufenthalts Fontanes in England in gewissem Sinne Kontrahenten waren und daß Gegenstand

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