Heft 
(1969) 8
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der Times-Zeitung für ihn von besonderer Bedeutung war, wenn er z. B. in einem Brief an Emilie vom 23. August 1883 schreibt:Das regelmäßige Timeslesen interessiert mich und über die Kölnische Zeitung komm ich mehr und mehr zu einem klaren Urtheil. Sie ist durchweg auch poli­tisch. 73 Dasauch politisch scheint auf die Tatsache hinzuweisen, daß er die Times wegen ihres politischen Inhalts schätzte, obwohl er am Tag vorher an seine Frau schreibt, er schätze seine Lektur derTimes wegen eines Artikels überdie englische Romanproduktion 74 . So können wir uns gut vorstellen, daß Fontane nach dem glücklichen Zufall, der die Freunde nach langer Zeit wieder zusammenführte, entweder Morris bat, ihm die Zeitungen zu senden oder gerne das Angebot annahm, die eng­lische Lektüre von diesem zu erhalten.

Wie aber ist nun das Phänomen dieses Briefwechsels richtig zu verstehen? Kann man diese wichtigen Briefe einfach als Dankbriefe, wie sie Fontane mit allzu großer Bescheidenheit Friedlaender gegenüber beschreibt, be­zeichnen, oder steckt nicht etwas anderes dahinter, etwas, das sich von unserer Untersuchung der bisherigen Freundschaft zwischen Fontane und Morris hervorhebt? Es scheint uns doch vielmehr, daß es eine Fortführung derlebhaften Debatten von damals ist!

Denn Fontane interessierte sich für Englands Probleme, die es mit seinem Empire und mit Europa und Amerika 75 zu lösen hatte und über die ihn die von Morris zugesandten Zeitschriften berichteten. Fon­tane interessierte sich nicht nur dafür, sondern er setzte sich auch mit den sich daraus entwickelnden Themen auseinander, wie zum Beispiel mit der Frage des Krieges und des Heldentums 70 . Mit anderen Worten: das Phänomen des viktorianischen Englands beschäftigt und fasziniert Fontane zugleich. Er blickt auf ein Land, das im imperialistischen Auf­stieg begriffen war, in einem Aufstieg, an den Fontane nicht glaubt 77 , aber den er auch nicht ablehnt 78 . Es war damals ein Land der politischen Frei­heit 70 , ein Land der Widersprüche, ein reformiertes und freies Parlament und eine beim Volk beliebte Monarchie; ein Land der Gegensätze. Adel, den man in der Person Lord Salisburys verehren könnte 80 , und der gleich­zeitig ausFürstlichkeiten bestand, die fast immer unerlaubt langweilig aussehen 81 , steht gegenüber einem vierten Stand, bei dem eine neue, bes­sere Welt anfangen könnte 82 . Ein Land, das kaum einseitig, sondern nur mit gewisser Ambivalenz zu beschreiben war, ein Land, das im höchsten Maße das von Fontane immer wieder aufgegriffene Problem des Alten und Neuen besonders aktuell macht.

Genau diese Probleme beschäftigten Fontane in seinem letzten gedruckten Werk,Der Stechlin, ein wie Fontane selbst darüber sagtpolitischer Roman. 83 Gerade im Stechlin-See mit seiner Verbindung nach außen zu den Großweltereignissen, der gleichzeitig ein Symbol nicht nur für das

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