Revolutionäre, sondern auch für das Zentralproblem des Alten und Neuen war, sehen wir Fontanes dichterische und geistige Beschäftigung mit einem dichterischen Feld, das weit über das provinziell-preußische hinausgreift.
Während Fontane in seinem Friedlaender-Briefwechsel die Probleme Preußens aufgreift, behandelt er im Morris-Briefwechsel die Probleme der englischen und der Weltpolitik. Und indem er dies tut, wird Fontanes Blick noch schärfer auf die für ihn rein deutschen, preußischen, gesellschaftlich und politisch wichtigen Probleme gerichtet. Nicht nur werden seine spezifisch preußischen Themen in seinen Briefen reflektiert, sondern beim Verfassen dieser Briefe von den Briefen selbst auf den vor ihm liegenden, noch nicht vollendeten Roman zurückreflektiert. Es ist ein doppelter Prozeß.
Hiervon gibt es genug Beispiele: wir haben bereits die Stelle im Brief vom 31. Januar 1896 8 ''* erörtert, wo Fontane sich mit dem Problem des Heldentums auseinandersetzte. Dasselbe Thema kommt mehrmals im Roman zum Ausdruck, besonders im Gespräch zwischen Schulze Kluck- huhn, genannt Rolf Krake, und der Gräfin Melusine 85 . Auch in diesem Gespräch und an einer anderen Stelle im Roman äußert sich Melusine über den Patriotismus, „aufgesteifter Patriotismus“ 86 , ein Thema, das im Brief vom 13. Mai 1898 ebenfalls besprochen wird. Sogar das Gesamtproblem des Alten und Neuen, das bereits den Ton des Briefwechsels überhaupt anschlägt, wird nicht nur im Roman selbst mehrmals besprochen 87 , sondern — selbst wenn es nur auf ein anderes Thema gerichtet ist — auch im Brief vom 3. Juni 1897 88 und vom 5. Januar 1897 89 angeregt. Im ganzen sehen wir die Verbindung zwischen Fontane und Morris zu dieser Zeit als ein wichtiges Begleitstadium zum Roman „Stechlin“, ein Begleitstadium, ohne welches Fontanes Schaffen am „Stechlin“ vielleicht etwas Wesentliches gefehlt hätte.
Wir fassen kurz zusammen: James Morris, der unbedeutende englische junge Arzt, den Fontane in den Fünfziger Jahren kennenlernte, spielt auf Grund seines Interesses an der Sozialreform und an der Dichtung in der geistigen und dichterischen Entwicklung Theodor Fontanes eine entscheidende Rolle. Er war zur Stelle gerade in dem Augenblick, als Fontane in Gefahr war, sich von dem bereits betretenen, fortschrittlichen Weg abzuwenden. Wieder durch Zufall war er auch zur Stelle, als sich Fontane mit seinem letzten, großen gedruckten Roman beschäftigte. Wie der Friedlaender-Briefwechsel Fontanes Beschäftigung mit den Problemen Preußens zeigt, so waren der Briefwechsel mit Morris und die Lektüre der englischen Zeitungen der neue Beginn einer Verbindung mit dem Ausland, mit einem Land, dessen Geschichte, Tradition und Zukunft Fontane faszinierte, beeindruckte und zugleich beunruhigte. Alle diese