behandelnden, meist blutig tragischen Balladen sind reich an hohen Vorzügen .. . Eigenartiger aber wirken dennoch die echt vaterländischen Bilder und Balladen . . . Der stark epische Zug in einem Poeten läßt selten den lyrischen zu gleicher Entwicklung und Bestätigung gelangen. Es überrascht daher nicht, wenn unter den Gedichten Fontanes die eigentlichen Lieder, jene Poesien, die ,wie ein Hauch' der Dichterseele entströmten, wie ein solcher die des Lesers umschmeichelnd berühren und in die gleiche Stimmung tauchen, welcher sie ungesucht, ungewollt, ,unkommandiert' erblühten, nur den kleinsten Teil bilden." 10
Unter Beifügung dieser Besprechung schloß Fontane das erwähnte aus einer Selbstbiographie bestehende Schreiben an den unbekannten Jöurnalisten, das einer ihm gewidmeten biographischen Skizze als Material dienen sollte, mit den Worten: „Ich erlaube mir, zwei Besprechungen, die in der letzten Woche erschienen sind, beizuschliehen. Die eine, in der .Augsburger Allgemeinen Zeitung' von W. Lübke, die andre, in der Vossin, von L. Pietsch. Die erste ist viel schmeichelhafter, der zweiten merkt man an, daß einzelnes (beispielsweise das längere Gedicht .Von der schönen Rosamunde') den Herrn Verfasser stark ennuyiert hat. Dennoch werden Sie aus der zweiten mehr entnehmen können, als aus der ersten. L. P. trifft es besser und rückt dem Kern der Sache näher. Die gelungensten Sachen finden sich unter den Balladen und dies hätte L. P., schon von Freundschafts wegen, mehr hervorheben können, im übrigen aber hat er vollkommen recht, einerseits darin, daß ich kein Lyriker bin, andererseits darin, dafj selbst das minder Gelungene unter den märkisch-preußischen Sachen immer noch mehr Lebenskraft und Lebensberechtigung hat als selbst das Gelungenste unter den Balladen. Denn diese letzteren bauen nur weiter aus, während jene ganz selbständig auf ihren zwei Beinen stehn." 17 Also Freundschaftsbeweise und Einfühlungsvermögen, das auch Fontane anerkannte, auf der einen und gelegentliche üble Nachrede auf der andern Seite? Wie war Fontanes wirkliches Verhältnis zu „Deutschlands erstem Feuilleto- nisten", der seinen Freunden „voller Seligkeit" diente (Turgenjew) 18 , dem großen Genie, aber „kleinen Charakter" mit der im „Quartalszynismus" „durchbrechenden Roheit" (Fontane) 19 , der „kleinen Modegröße und feuilletonisti- schem Ratgeber der Hauptstadt und ihrer Bourgeosie“ (Reuter) 20 , dem Bohemien und Libertin (Schreinert) 21 ? Diese im Gegensatz sich zuspitzende Mannigfaltigkeit in seiner Charakterisierung deutet in sich selbst an, was Fontane an ihm fesselte - denn für eine Strecke ihres Weges war es ein Gefesseltsein.
Der erste persönliche Kontakt fand Anfang der siebziger Jahre statt, nachdem Fontane am 15. August 1870 in die Redaktion der „Vossischen Zeitung" eingetreten war, für die Pietsch bereits seit 1864 als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis tätig war. 22 Nach Beendigung ihrer Kriegsfahrten, die der eine als „feuil- letonistischer Schlachtenbummler", der andre vom Verlag Decker beauftragt, Kriegsbücher zu schreiben, unternommen hatte, ergab sich seit Mitte 1871 zwangsläufig ein ständiger Verkehr, der im ersten Jahrzehnt ihrer Bekanntschaft sowohl beruflich als auch persönlich am engsten war. Am 3. Februar 1872 war Fontane zum ersten mal „auf einem der Pietschschen Zauberfeste", das er „höchst interessant" 23 fand. Im September darauf verkündete Pietsch den Lesern ihrer Zeitung, daß sein „verehrter Freund und Kollege Theodor
13