Heft 
(1969) 9
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behandelnden, meist blutig tragischen Balladen sind reich an hohen Vorzü­gen .. . Eigenartiger aber wirken dennoch die echt vaterländischen Bilder und Balladen . . . Der stark epische Zug in einem Poeten läßt selten den lyrischen zu gleicher Entwicklung und Bestätigung gelangen. Es überrascht daher nicht, wenn unter den Gedichten Fontanes die eigentlichen Lieder, jene Poesien, die ,wie ein Hauch' der Dichterseele entströmten, wie ein solcher die des Lesers um­schmeichelnd berühren und in die gleiche Stimmung tauchen, welcher sie un­gesucht, ungewollt, ,unkommandiert' erblühten, nur den kleinsten Teil bil­den." 10

Unter Beifügung dieser Besprechung schloß Fontane das erwähnte aus einer Selbstbiographie bestehende Schreiben an den unbekannten Jöurnalisten, das einer ihm gewidmeten biographischen Skizze als Material dienen sollte, mit den Worten:Ich erlaube mir, zwei Besprechungen, die in der letzten Woche erschienen sind, beizuschliehen. Die eine, in der .Augsburger Allgemeinen Zei­tung' von W. Lübke, die andre, in der Vossin, von L. Pietsch. Die erste ist viel schmeichelhafter, der zweiten merkt man an, daß einzelnes (beispielsweise das längere Gedicht .Von der schönen Rosamunde') den Herrn Verfasser stark ennuyiert hat. Dennoch werden Sie aus der zweiten mehr entnehmen können, als aus der ersten. L. P. trifft es besser und rückt dem Kern der Sache näher. Die gelungensten Sachen finden sich unter den Balladen und dies hätte L. P., schon von Freundschafts wegen, mehr hervorheben können, im übrigen aber hat er vollkommen recht, einerseits darin, daß ich kein Lyriker bin, anderer­seits darin, dafj selbst das minder Gelungene unter den märkisch-preußischen Sachen immer noch mehr Lebenskraft und Lebensberechtigung hat als selbst das Gelungenste unter den Balladen. Denn diese letzteren bauen nur weiter aus, während jene ganz selbständig auf ihren zwei Beinen stehn." 17 Also Freundschaftsbeweise und Einfühlungsvermögen, das auch Fontane aner­kannte, auf der einen und gelegentliche üble Nachrede auf der andern Seite? Wie war Fontanes wirkliches Verhältnis zuDeutschlands erstem Feuilleto- nisten", der seinen Freundenvoller Seligkeit" diente (Turgenjew) 18 , dem gro­ßen Genie, aberkleinen Charakter" mit der imQuartalszynismus"durch­brechenden Roheit" (Fontane) 19 , derkleinen Modegröße und feuilletonisti- schem Ratgeber der Hauptstadt und ihrer Bourgeosie (Reuter) 20 , dem Bohe­mien und Libertin (Schreinert) 21 ? Diese im Gegensatz sich zuspitzende Mannig­faltigkeit in seiner Charakterisierung deutet in sich selbst an, was Fontane an ihm fesselte - denn für eine Strecke ihres Weges war es ein Gefesseltsein.

Der erste persönliche Kontakt fand Anfang der siebziger Jahre statt, nachdem Fontane am 15. August 1870 in die Redaktion derVossischen Zeitung" einge­treten war, für die Pietsch bereits seit 1864 als freier Mitarbeiter auf Honorar­basis tätig war. 22 Nach Beendigung ihrer Kriegsfahrten, die der eine alsfeuil- letonistischer Schlachtenbummler", der andre vom Verlag Decker beauftragt, Kriegsbücher zu schreiben, unternommen hatte, ergab sich seit Mitte 1871 zwangsläufig ein ständiger Verkehr, der im ersten Jahrzehnt ihrer Bekannt­schaft sowohl beruflich als auch persönlich am engsten war. Am 3. Februar 1872 war Fontane zum ersten malauf einem der Pietschschen Zauberfeste", das erhöchst interessant" 23 fand. Im September darauf verkündete Pietsch den Lesern ihrer Zeitung, daß seinverehrter Freund und Kollege Theodor

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