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Teuerster Pietsch!
II
Berlin, 18. März 1872
In der bekannten weißen Halsbinde, die in diesem Winter gar nicht zu Ruhe kommt, war ich heute bei der alten Frau von Meding (nee Itzenplitz) zu Tisch. 1 Ich räumte als letzter das Feld, da mich zum Schluß Fräulein von Meding mit einem Briefe ihrer Freundin, der Frau von Blomberg 2 , in der Hand, in die Fensternische nahm. Es hieß in dem Briefe unter anderm: „niemand schreibt darüber*; Pietsch, wie ich höre, hat geschrieben, aber der betreffende Artikel scheint wegen Raummangel oder aus einem andern Grunde keine Aufnahme in der Vossin gefunden zu haben." So ohngefähr. Könnten Sie mich in drei Zeilen wissen lassen, wie es damit steht? Es tut mir leid, einen so viel Beschäftigten auch noch damit quälen zu müssen. Unter den Gästen war auch Putlitz, der mich untern Arm nahm und der Versammlung erklärte, „so führt Onkel die Tante zu Tische'/* Nicht übel. Nur bin ich ein zu unvollkommener, beinah ein unechter Repräsentant Der reine falsche Waldemar. 5 Übrigens erzählte er mir viel Interessantes von dem Neu-Spener*’, seinem Kleid und seinen Plänen. Man wird im Feuilleton mit einem dreibändigen Roman von Paul Heyse beginnen, für den man 20 000 Taler gezahlt hat. 7 Auerbach wird gelb und Spielhagen grün darüber werden.
Wie immer Ihr Th. Fontane
Erstdruck nach der Schreibmaschinenschrift im Fontane-Archiv Potsdam. Kommentar
1 Über dieses Essen schrieb Fontane am 30. März an Mathilde von Rohr: „... später war ich bei einer andern Dame aus dem Hause Itzenplitz zum Diner, natürlich bei der alten Exzellenz Meding. Die Gesellschaft war sehr interessant zusammengesetzt; außer verschiedenen Familienmitgliedern: Putlitz und Frau, Leopold von Ranke, Prof. Adler (frisch von Jerusalem zurück), Oberst von Krosigk u. a. m., die ich vergessen habe. Ich saß während der zweiten Hälfte der Tafel unmittelbar neben Putlitz (vorher Fräulein von Meding zwischen uns), und es schien mir, daß ein wenig sondiert werden sollte, ob ich wohl Lust hätte, bei der ,Spenerschen Zeitung', sei es im politischen Teil, sei es im Feuilleton, einzutreten; es kam aber zu nichts" (vgl. Fontanes Briefe in zwei Bänden. Ausgew. von Gotthard Erler, 1. Band, Berlin und Weimar 1968, S. 383).
2 In „Von Zwanzig bis Dreißig" nennt Fontane in dem Hugo von Blomberg gewidmeten Abschnitt Frau von Blomberg „eine ganz entzückende Dame, Potsdamerin, Tochter des alten Generals von Eberhardt". Die beiden „musterhaften Menschen" gingen 1867 nach Weimar, wo Fontanes ehemaliger Tunnelgenosse im Juni 1871, kaum fünfzigjährig, verstarb.
3 Möglicherweise sind Hugo von Blombergs 1872 posthum erschienene Gedichte „Treu zum Tod" gemeint.
4 Da der Lustspieldichter Gustav zu Putlitz seit Anfang März 1872 Vorsitzen-
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