apparat immer nach einem toten oder lebenden Ägypter suchten und ihn, für unser Gefühl, im wesentlichen auch fanden. Aus dem Katalog ersahen wir dann, es seien Alma-Tadema und Frau; wir hätten, wenn nicht direkt auf Ramses, so doch wenigstens auf den Khedive geraten. Nichts finden wir grausamer, als einen Künstler an irgendeine bestimmte Stelle seiner Produktion annageln zu wollen; wenn aber der Künstler dies mehr oder weniger selber übernimmt und alles ägyptisiert, so darf er sich nicht wundern, wenn man, so oft er auch nur sein Sacktuch zieht, jedesmal fürchtet, ein kleines Taschenkrokodil hervorspringen zu sehen.' Im Bewußtsein seiner respektlos mit einer Beerühmtheit verfahrenden Behandlungsweise hatte Fontane geschlossen: .Wir brechen hier ab, vielleicht schon zu spät, und unserem berufenen Kollegen L. P. möglicherweise ein so verfitztes Garn hinterlassend, daß selbst .'eine kunstgeübte Hand Mühe finden wird, das Wirrsal wieder zu lösen. Möge sich denn sein Haupt nicht zornig verfinstern, wie das des Ätna, den er soeben veriassen."
Im vorliegenden Brief geht Fontane auf Pietschs gedruckte Antwort in Nr. 214 der VZ vom 13. September 1874 ein, in der es heißt: „Mein hochverehrter Freund und Kollege Th. F. ist mir. .. wie schon in einem früheren Fall hilfreich beigesprungen, um die Leser der ,Vossischen Zeitung' nicht einen Tag länger, als es unvermeidlich war, auf einen ersten Bericht über die am 6. des Monats eröffnete Kunstausstellung warten zu lassen. Ich fühle mich ihm für diese kollegialische Liebenswürdigkeit zu um so lebhafterem Dank verpflichtet, als er mir damit nicht nur die etwas gleichgültig-langweilige Arbeit der gebräuchlichen allgemeinen Eingangsbetrachtungen... ersparte, sondern auch gleichzeitig schon mich der Mühe der .Besprechung' einer ziemlich zahlreichen Gruppe von einzelnen Hauptwerken überhoben hat, in bezug auf welche ich mich nun ganz einfach auf die Erklärung beschränken kann, daß ich mich der Meinung des geehrten Vorredners vollkommen anschließe. Verhehlen will ich dabei schon hier allerdings nicht, daß ich diesen Anschluß keineswegs in bezug auf alle dort von ihm gefällten Urteile auszudehnen vermag. Zu manche derselben wird sich das meinige in direktem Gegensatz stellen. Aber ich darf hoffen: Darum keine Feindschaft! ... Mein verehrter Vorredner mag mir verzeihen; aber ich kann nicht anders. Ich spreche von Alma-Tadema, dessen beide uns diesmal vergönnte Hauptwerke so geringe Gnade vor seinen kritischen Augen gefunden haben. Seine Schilderung gibt, ehe man dieselben gesehen hat, einen nicht ganz zutreffenden Begriff davon. Auf beiden Tafeln ist nicht das geringste .Ägyptische'. Beide Gegenstände sind anscheinend dem Leben der römischen Kaiserzeit entlehnt.' -
Die Zukunft gab Fontanes Kunstempfinden recht: Alma-Tademas Spezialität, nämlich antike Sittenbilder in generehafter Auffassung mit peinlich getreuer Wiedergabe aller stofflichen Einzelheiten, entsprach zwar dem damaligen Zeitgeschmack und brachte ihm Ruhm und Ehren (Robert Darmstaedters Künstlerlexikon von 1961), aber schon zu Lebzeiten des Malers wurde gerügt, daß in seinen Bildern mehr schöne Form, Pose und Geste als Ausdruck und Seele enthalten sei (Thieme-Beckers Künstlerlexikon von 1907).
33