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7 Berlin, 12. Juni 1876
Teuerster Pietsch!
Ich muß Ihnen nach langem Schweigen doch mal wieder einen kleinen Liebesbrief stiften, der freilich in Ihre Sammlung „eigentlicher" nicht hineingehört. Eben habe ich mit Kapitel III von „Quer über den Peloponnes' 1 nachexerziert. Die letzte halbe Spalte - worin aber keine versteckte Kritik gegen die voraufgehenden zwei und eine halbe liegen soll - ist wieder ganz entzückend. Das sind die Sachen, die Ihnen keiner von unsren Kollegen nachmacht: Leicht, schelmisch, gütig, voll richtigem Künstler- und Menschenblick, der sich darin zu erkennen gibt, daß man das Echte und Ewige des Daseins von dem Plunder des Lackiert-Konventionellen zu unterscheiden weiß. Wie tritt einem das in der liebenswürdigen Szene mit dem „Gastfreund" entgegen.- Der Tropfen Rabelais, der in all Ihren Sachen ist, macht es nur noch schmackhafter. Manchmal ver- tröpfeln Sie sich und überwürzen den Wein, aber nicht hier.
Ihr alter Verehrter Th. Fontane
Gedruckt nach der Schreibmaschinenabschrift im Fontane-Archiv Potsdam (vgl. Briefe Theodor Fontanes. Zweite Sammlung, 1. Band, a. a. O., S. 360).
Kommentar
1 Kapitel I und II von Pietschs Berichtsserie „Quer über den Peloponnes" waren in den Nummern 129 und 130 der VZ vom 4. und 7. Juni, das hier erwähnte Kapitel III in Nr. 147 vom 11. Juni 1876 erschienen. Ende 1878 kamen die gesamten Aufsätze von Pietschs Reise nach Griechenland, die er anläßlich der Ausgrabungen in Olympia unternommen hatte, als „Wallfahrt nach Olympia" heraus; Fontane besprach das Buch 1879 (vgl. Brief 9, Anmerkung 6).
2 In dieser Szene schildert Pietsch, wie er bei einer Übernachtung in dem Dorf Sinaui, „nahe der klassischen Stelle des antiken Megalopolis", glaubt, die Verständigungsschwierigkeiten überwunden und ein Quartier mit Beköstigung gemietet zu haben. Hungrig auf Essen wartend, mit Notizen beschäftigt, wundert er sich, daß die achtköpfige Kinderschar des 35jährigen Hellenen ständig bei ihm im Raum ist. „Meine Geduld ging fast zu Ende bei diesem verzweifelten und immer vergeblichen Hoffen und Harren und bei der vermeintlich naiven Beharrlichkeit meiner ungebetenen Zimmergenossen, welche mir Karte, Glas, Bücher eins nach dem andern in die Hände nahmen, betrachteten, einander zureichten und wieder hinlegten". Nach dem endlich servierten Mahl in Gesellschaft des bärtigen Hausherrn weist ihm dieser den mit Decken belegten Fußboden des Raumes als Nachtlager an, das ihm aber durch die mitnächtigenden Hühner und Schwalben recht getrübt wird. „Froh des ersten, durch Dach und Läden einfallenden Morgenlichts sprang ich auf... Da überraschte mich ein wahrhaft rührendes Familienbild. Auf dem schwanken Bretterboden lagen dicht nebeneinander gereiht noch im tiefen süßen Schlaf der Hausherr mit seiner ganzen männlichen Nachkommenschaft, alle in voller Garderobe, eine alte Pferdedecke über sie alle gebreitet. Um dem Gast das Zimmer ungestört zu überlassen, hatten sie die Nacht unter freiem Himmel geschlafen." Da der Gastfreund weder Geld noch
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