Heft 
(1969) 9
Seite
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Geschenke annehmen wollte, geriet Pietsch, schon zum Abtritt bereit, in Ver­legenheit.Ich fühlte mich in der Erinnerung an mein gestriges Verhalten, das ich der Unwissenheit dankte . .. aufs tiefste beschämt... In dieser Ver­legenheit kam mir ein guter Gedanke: ich drückte meinen Gastfreund stumm auf seinen Sitz nieder, riß Skizzenbuch und Stifte aus der Reisetasche und zeichnete sein Bild mit fliegender Hast auf das getönte Papier.. . Als ich die fertige Skizze herausschnitt und dem Gastfreund als Dankeszeichen und Gast­geschenk überreichte, umgab mich ein Kreis von wahrhaft verklärten Ge­sichtern. Die Gewissenslast war von mir genommen!"

8 Berlin, 6. November 1878 Teuerster Pietsch!

Wilhelm Hertz schreibt mir, daß er Ihnen meinen Roman 1 gesandt habe. Ich halt es doch für in der Ordnung, der Buchhändlersendung noch diese Zeilen folgen zu lassen, mit der Bitte, in der Vossin 2 , eventuell auch in der Schlesi­schen ein paar freundliche Worte darüber sagen zu wollen, immer vorausge­setzt, dafi Ihnen die Richtung des Ganzen nicht zu sehr gegen den Strich ist. 3

In herzlicher Ergebenheit Ihr Th. Fontane

Gedruckt nach der Schreibmaschinenabschrift im Fontane-Archiv Potsdam (vgl. den Erstdruck in Gotthard Erlers Anmerkungen in: Theodor Fontane, Romane und Erzählungen in acht Bänden, Berlin und Weimar 1969, Band 1, S. 364).

Kommentar

1 Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812 auf 13. Von Theodor Fontane, Berlin: W. Hertz 1878.

2 Pietsch besprach den Roman in der VZ Nr. 275 vom 22. November 1878.

' Wie wenig Fontane von Pietsch eine positive Meinung über seinen Roman erwartete, geht aus einem Brief an den Redakteur der VZ Hermann Kletke vom gleichen Tage hervor, in dem es heißt:Pietsch hat ein zweites Exem­plar erhalten und wird, Ihre Zustimmung und seinen guten Willen voraus­gesetzt, einiges in der Vossin darüber sagen. Daß ihm das Buch besonders gefällt, erwart ich nicht; es ist ganz unmodern, etwas fromm und kirchlich . .. An Zola, der einen unterirdischen Pariser Käseladen mit genialer Bravour zu beschreiben weiß, erinnert nichts. Und das spricht mir mein Urteil. Denn Pietsch ist für Zola. Vielleicht aber lobt er mich aus Kommiseration." - Eine Äußerung Pietschs über Zola vgl. Brief 17, Anmerkung 2.

9 Berlin, 10. November 1878 Teuerster Pietsch!

Ihre Zeilen 1 haben mir heute früh eine große Freude gemacht. Ich dachte, Sie würden aus Freundlichkeit ein freundliches Wort haben; nun zu hören, daß Ihnen das Ganze, oder doch wenigstens die Tonart des Ganzen wohltut, ist

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