mir ein Herzenstrost. Denn ich weiß wohl, welch feines Ohr Sie haben. Außerdem, was alles von Hoffen und Bangen an solcher Arbeit hängt, brauch ich Ihnen nicht zu sagen. Verwöhnt hat mich das Leben nicht, wenigstens nicht durch Erfolge, aber auch die bescheidendste Position will immer neu erstritten sein. Die Geschichte von Hopfens „Pinsel Mings" ist nur halb wahr. 2 Haben Sie besten Dank für Ihr Buch. 3 Ich schreibe also nicht'*, aber nur, um dafür mal ordentlich über Sie zu schreiben. Dies wird mir gar nicht schwer, wie mir nichts schwer wird, wenn es einer in mir lebenden starken Empfindung entspricht. Ich gedenke meine nächste Sommerfrische zu einem Artikel zu benutzen, der etwa die Überschrift führen soll „Welt- und Kriegsfahrten eines Berliner Touristen". Oder so ähnlich. In diesem Artikel will ich Sie und Ihr Talent schildern. Sie sind eine ganz exzeptionelle Erscheinung und nach meiner Länder- und Völkerkunde etwas noch nie Dagewesenes. Selbst die guten lieben „own correspondents" müssen einpacken. Beispielsweise William Rus- sells 5 darstellende Kraft („powerfull language") kommt der Ihrigen allerdings gleich, oder übertrifft sie vielleicht noch an dramatischer Gewalt; aber welche Einseitigkeit! Wie wenig reelles, positives Wissen. Ich werde mal mit Lindau über diesen Punkt sprechen. 6 Meine Frau empfiehlt sich Ihnen allerseits.
Wie immer Ihr Th. Fontane
Gedruckt nach der Schreibmaschinenabschrift im Fontane-Archiv Potsdam (vgl. Theodor Fontane, Briefe an die Freunde. Letzte Auslese, a. a. O., 1. Band, S. 312-313).
Kommentar
1 Hier ist ein nicht erhalten gebliebener Brief von Pietsch gemeint, in dem er sich für die Übersendung von „Vor dem Sturm" bedankt.
2 Hans Hopfens episches Gedicht „Der Pinsel Mings. Eine chinesische Geschichte" (Stuttgart 1868) sagt aus, daß der Dichter, dessen Hand - geführt von dem Genie verleihenden Pinsel Mings - zehn Jahre lang unsterbliche Werke geschrieben hat, für den Rest seines Lebens dieses Wundertäters nicht mehr bedarf; jetzt werde die Menge auch talentlosem Geschwätz aus seiner Feder Beifall zollen.
3 Dieses Exemplar von Pietschs „Wallfahrt nach Olympia. Reisebriefe" (Berlin 1879) befindet sich heute im Fontane-Archiv Potsdam. Es trägt von Pietschs Hand die Widmung „Seinem teueren Freund Th. Fontane der Verf. L. P. 10 ./ 11 ."
4 Pietsch hatte offenbar darum gebeten, sein Buch nicht in der VZ zu besprechen.
5 Der englische Journalist Sir William Howard Russell (1821-1907) war Korrespondent der „Times". Pietsch war ihm wiederholt begegnet, so 1869 bei der Eröffnung des Suezkanals und im Feldzug 1870/71 im Hauptquartier des preußischen Kronprinzen.
6 Fontane blieb nicht bei der genannten Überschrift. In des erwähnten Paul Lindaus „Gegenwart" (Bd. XVI., Nr. 30 vom 26. Juli 1879, S. 56-59) schrieb
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