Quelle geschöpft. Marwitz: Memoiren. 0 Br hat aus Marwitz den Isegrimm gemacht, ich den Vitzewitz. Auch darin zeigt sich der Unterschied unsrer Naturen.
Er war Melancholikus, ich bin ganz Sanguiniker. Nochmals, teuerster Pietsch,
vielen, vielen Dank, dem sich die ganze Familie anschließt.
Wie immer Ihr Th. Fontane
Gedruckt nach der Schreibmaschinenabschrift im Fontane-Archiv Potsdam (vgl.
Briefe Theodor Fontanes. Zweite Sammlung, a. a. O., 2. Band, S. 5-6).-
Kommentar
1 Pietschs zweite Besprechung von „Vor dem Sturm" war in der „Gegenwart", Band XVII, Nr. 17. vom 24. April 1880 erschienen.
- Pietsch hatte den Roman bereits - ausschließlich lobend - in der VZ vom 22. November 1878 besprochen (vgl. Brief 10).
:l Pietsch schließt seine zweite Rezension, in die er nach Fontanes ersten Erfolgen als Romanschriftsteller auch Kritik einfließen läßt, mit den Worten: „Überall in dem Buch Fontanes beweist er die gleich schöne spröde Scheu vor der handwerksmäßigen Romanmache, vor den konventionellen ,Trucs' dieser Kunst; betreffe es die Verwicklungen, die Situationen, die Effekte oder die Charaktere. Hier ist alles selbsterworbenes Gut; in sorglicher, treuer, unbefangener Beobachtung der Wirklichkeit und Arbeit errungen und in strenger Selbstkritik und gewissenhafter Prüfung gesichtet. Der tiefe Widerwille gegen die Phrase in jeder Gestalt, gegen das nur tönende Erz und die klingende Schelle beseelt ihn. Und die echte Vornehmheit seines Denkens und Fuhlens bewahrt ihn vor dem Trivialen wie vor dem Rohen und Gemeinen . . .
Zugegeben mag es werden: ,Vor dem Sturm' ist kein eigentlicher Roman, keine fortreißende, den Leser gepackt haltende oder wohlberechnet angelegte, in stetiger Entwicklung und mit dem Anschein innerer Notwendigkeit von Situation zu Situation kunstvoll durchgeführte Geschichte. Fontanes Erzählertalent und -kunst offenbart sich in der kleineren Novelle mit geschlossener einheitlicher Handlung (wie .Grete Minde') wohl noch entschiedener und glanzvoller als in einem derartigen mehrbändigen Buch von weitschichtigem Bau".
I Fontane geht an dieser Stelle des Briefes auf Pietschs Bemerkung ein: „Die Landschaft und die Zeit, in welcher seine Geschichte spielt, legt dem Leser den Vergleich mit Willibald Alexis' .Isegrimm' (1854) fast unabweislich nahe. Fontanes märkische und .Franzosenzeitbilder' sind sicher nicht weniger wahr, lebensvoll und überzeugend als die jenes Meisters der vaterländischen Romandichtung. Aber die Stärke des Erzählers von ,Vor dem Sturm' liegt mehr im historischen Genrebild und im intimen zeit- und sittengeschichtlichen Idyll als in der Malerei der großen geschichtlichen Leidenschaften und Handlungen. Man hört bei Fontane nur äußerst gedämpft das Grollen des nahenden .Sturms', das so vernehmlich das Buch von W. Alexis durchklingt."
5 Gemeint ist die Gestalt der Jeanie Deans, Stiefschwester Effie Deans, in Walter Scotts Roman „Das Herz von Midlothian" (1818).
II Aus dem Nachlasse Friedrich August Ludwig von der Marwitz. 1. Band: Lebensbeschreibung, Berlin 1852.