Kommentar
1 Nach dem Tod des russischen Dichters am 9. September 1883 in Bougival bei Paris hatte Pietsch in drei Fortsetzungen in der VZ vom 11., 12. und 14. September „Erinnerungen an Iwan Turgenjew' veröffentlicht. Sie sind wiederabgedruckt in: Iwan Turgenjews Briefe an Ludwig Pietsch, a. a. O., S. 167-179.
2 Über Turgenjews Verhältnis zu Zola hatte Pietsch geschrieben, dafj „der heilige Ernst der Arbeit, die unbestechliche Wahrheitsliebe, die Aufrichtigkeit, die Strenge des künstlerischen Gewissens", die den russischen Dichter für Gustave Flaubert und Adolf Menzel einnahmen, ihn „für Emile Zola gewannen, wie sehr sich auch Turgenjews Sinn gegen dessen gänzlichen Mangel an Geschmack und gegen dessen unbesiegbare Passion und Schwäche empörte, alles zu sagen und nichts verschweigen zu können." An anderer Stelle heißt es: „Wie fühlt man [bei Turgenjew - Chr. Sch.) dieses Mitleben des ganzen Menschen, diese Energie der sinnlichen Anschauung aus allem, was er vor uns erscheinen, handeln und reden läßt. Auch Flaubert, Zola und ihre Schule besitzen diese köstliche Gabe des realistischen Dichters nicht in stärkerem Maße. Aber eins hat Turgenjew noch immer vor ihnen allen voraus gehabt: den untrüglichen Geschmack des vornehmen Geistes und die Reinheit der Seele, welche nie von lüsternen Bildern befleckt wurde und von seinen Dichtungen - wie heiß auch die Leidenschaft in manchen ihrer Gestalten pulsierte und stürmte - gerade alle jene Elemente jederzeit ausschloß, in deren detaillierter Ausmalung die Phantasie und die Feder seiner naturalistischen französischen Freunde mit so unverhohlenem Behagen schwelgt."
3 Über sein Studium von Zolas Romanen „Das Glück der Familie Rougon" und „Die Eroberung von Plassans" - den „Totschläger" hatte er im Januar 1882 gelesen - schrieb Fontane in mehreren Briefen aus Thale im Juni 1883 an seine Frau, z. B. am 25. Juni: „Das Talent ist kollossal bis zuletzt. Er schmeißt Figuren heraus, als ob er über Feld ging und säte. Gewöhnliche Schriftsteller und gerade die guten und besten, kommen einem arm daneben vor, Storm die reine Kirchenmaus. Und doch, im letzten ist er halb Pietsch, halb Goedsche. Von jenem hat er die Fülle und Farbe der Schilderung, von diesem das Ungezügelte, das Durchgängerische, die wildgewordene Fähnrichphantasie ... Ich hoffe, über Zola schreiben zu können. Was bis jetzt über ihn gesagt ist, ist alles dummes Zeug, geradezu kindisch. Nichts liegt so darnieder wie die Kritik. Die Betreffenden wissen gar nicht, worauf es ankommt." Vgl. Fontanes Notizen über die beiden Romane Zolas in: Aufz. zur Lit., 1969, S. 131-151 .
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Berlin, 24. Dezember 1884
Herzlichste Glückwünsche zum 60., Elan und Dauerbarkeit, und bis zum 70. hin immer noch aufwärts.
Wie immer Ihr ergebenster Th. Fontane Erstdruck nach der Schreibmaschinenabschrift im Fontane-Archiv Potsdam.
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