Heft 
(1969) 9
Seite
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HANS-HEINRICH REUTER (Weimar)

Noch einmal: Ein umstrittener Spruch des alten Fontane

Ein unbekanntes Thomas-Mann-Zeugnis, zugleich ein notwendiger Schlußstrich

Masaru Fujita hat kürzlich in denFontane-Blättern" (Band 1, Heft 8, S. 410 bis 420) die nachgerade berühmt gewordeneGeschichte" von Thomas Manns Zitierweise und Interpretation des Fontaneschen SpruchesLeben" im Zusam­menhang dargestellt. Die Umsicht und Gründlichkeit dieser Untersuchung sind um so höher zu schätzen, als sie einmal mehr belegen, mit welcher Kenntnis und Hingabe heute selbst in den entferntesten Teilen der Erde das Werk Theo­dor Fontanes durchforscht und erschlossen wird. So ist denn auch gegenüber dem referierenden Teil von Fujitas Aufsatz, in dem alle verfügbaren Zeugnisse - einschließlich eines bisher ungedruckten Thomas-Mann-Briefes (S. 410) - kritisch befragt werden, höchste Anerkennung am Platze. Lediglich einige Schlußfolgerungen bedürfen dringend der Korrektur; Verf. ist überzeugt, daß sie der japanische Gelehrte selbst vorgenommen hätte, wäre ihm auch hierzu das entsprechende Material zur Hand gewesen.

Masaru Fujita geht mit Recht ausführlich auf die heftige Auseinandersetzung (1920) zwischen Thomas Mann und Otto Pniower über die vierte Zeile des Fontaneschen Spruches ein (S. 411-417). Thomas Mann zitierte diese Zeile nach Ettlingers Nachlaßband (1908, S. 162) wie folgt:

Ist das Wissen, das es sendet,

und verteidigte diese Fassung nachdrücklich gegenüber Pniower, der nach einer im Fontane-Archiv befindlichen Abschrift des verschollenen Originals (auch Ettlinger hatte lediglich diese Abschrift zur Verfügung gehabt) für die fol­gende, auf Grund des philologischen Überlieferungsbefundes einzig vertret­bare Lesart plädieren mußte:

Ist das Wissen, daß es endet.

Soweit die Quintessenz des Referates von Masaru Fujita. Es gipfelt in dem Satze:Nach den mir bekannt gewordenen Äußerungen und Texten hat Tho­mas Mann bis zu seinem Tode seine erste Lesart und Deutung des Spruches verteidigt" (S. 420); Fujitakann .. . nicht glauben, daß Thomas Mann ... seine bisher feste Überzeugung geändert hätte", und führt diese angebliche Hart­näckigkeit aufdie unveränderte Überzeugung Thomas Manns über sein Ver­hältnis zu Fontane" zurück (S. 419).

Thomas Mann war indessen alles andere als unbelehrbar, und sein in der Tat innigstes Verhältnis zu Fontane - keinem zweiten deutschen Dichter hat er ein Leben lang so die Treue gehalten - konnte durch die Preisgabe einer Lesart und einer sich auf sie gründenden Fehlinterpretation (als wie bestechend sie ihm seinerzeit immer erschienen sein mochte) natürlich nicht im mindesten verändert, gar getrübt werden.

So hat Thomas Mann denn auch tatsächlich die von Fujita bezweifelte Revi­sion vollzogen und sich zu der von ihm einst angegriffenen und verworfenen echten" Fassung bekannt. Das betreffende Zeugnis wird hier erstmals mitge­teilt; sein Inhalt ist gleichwohl nach allem, was wir über Thomas Mann wis-

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