Heft 
(1969) 9
Seite
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sen, nichts weniger als überraschend. Etwas vorschnell schließt Fujita ex nega- tivo auf ein Verharren Thomas Manns bei einem offensichtlichenFehler", ja sucht dieses Verharren sogar zu rechtfertigen und will schließlich seinerseits die Frage nach demechten Ring" - d. h. nach der richtigen Lesart - unbe­greiflicherweise in der Schwebe gelassen wissen (S. 420).

Fujitas Hauptargument (S. 419) ist der Umstand, daß Thomas Mann auch spä­terhin seinen EssayDer alte Fontane" von 1910 immer wieder mit der inkri- minierten Fassung (das es sendet") abdrucken ließ. Aber der Essay war ja längst zu einemhistorischen" Text geworden, in zahlreichen Ausgaben ver­breitet, und die gleichfallshistorische" Auseinandersetzung von 1920 mit Pniower - auch sie bereits in einem Sammelband eingegangen (Rede und Antwort", 1922) - wäre durch die Korrektur vollends unverständlich gewor­den. Notgedrungen schloß sich Thomas Mann der Entscheidung Ricarda Huchs an, die 1909 die FrageHat der Dichter das Recht zur Umarbeitung eines von ihm schon veröffentlichten Werks?" mit einem unmißverständlichenNein!" beantwortete. 1 ) - Die weiterhin von Fujita ins Feld geführte Tatsache, daß Walter Keitel in Band 6 der Hanser-Ausgabe (München 1964, S. 392) abermals die unhaltbare Ettlingersche Fassung bringt, während die Nymphenburger Gesamtausgabe (Band 20, München 1962, S. 407) sich mit Recht an den einzig belegbaren Text hält ("daß es endet"), zeugt lediglich von philologischer Will­kür der einen Seite. Der Überlieferungsbefund gestattet in Hinblick auf die Textkonstitution dieVermutungen" nicht mehr, denen Fujita nach wie vor ein weites Feld" eingeräumt sehen möchte (S. 420). Mag es der Interpret be­dauern: für den Philologen ist Fontanes SpruchLeben" solange ein abge­schlossenes Kapitel und ein genau vermessenes Feld, als die Originalhand­schrift verschollen bleibt. Mit deren Auftauchen aber ist leider kaum noch zu rechnen.

Angesichts all dessen gewinnt das mitzuteilende Thomas-Mann-Zeugnis auch für die Fontane-Forschung den Charakter eines Schlußstriches, der um so ent­schiedener gezogen zu werden verdient, als es sich bei dem fraglichen Spruch um eines der bedeutendsten lyrischen Gebilde des alten Fontane handelt. Denn gewiß hätte sich jene Lesart niemals allen unwiderlegbaren Gegenbe­weisen zum Trotz so lange und hartnäckig halten können, wäre Thomas Mann nicht seinerzeit einmal für sie in die Bresche gesprungen. Es ist hinreichend bekannt, wie viele Ungenauigkeiten, Entstellungen und offensichtliche Fehler der Nachlaßband Ettlingers enthält, die inzwischen längst ohne Aufhebens berichtigt worden sind. 2 )

Nun also: Vor über neun Jahren richtete Frau Katia Mann einen längeren handschriftlichen Brief an den Verfasser des vorliegenden Beitrages. Gegen­stand war das BuchTheodor Fontane. Schriften zur Literatur" (Berlin 1960). Nachdem sich Frau Katia Mann zu verschiedenen (unseren Zusammenhang nicht berührenden) Texten und Passagen der Edition voller Interesse geäußert hatte, kam sie mitten in ihrem Brief gänzlich spontan und unvermittelt auf die damals bereits vierzig Jahre zurückliegende Streitfrage zu sprechen: d. h. ohne dazu in irgendeiner Weise aufgefordert oder durch dieSchriften zur Literatur' (in denen derFall" gar nicht erwähnt ist) direkt veranlaßt worden zu sein.

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