wenn er mich noch erfrischte — so lebe ich in der Erinnrung, mit der auch Sie dankbar verknüpft sind; wie froh waren wir, wenn meine nun auch verflossene Anna meldete: Dr. Brahm, — und dann kamen Sie und eine Schiller-Vorlesung.
Dies alles hat treu im Gedächtnis
Ihre alte Freundin Fr. Th. Fontane
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N achbemerkungen
Otto Brahm (1856—1912), an den diese Briefe gerichtet sind, gehörte zu den „jungen Freunden“ des alten Fontane, von denen der Dichter in seinem Brief an Guido Weiß vom 14. August 1889 berichtet. Sie waren es, die vor allem sein episches Spätschaffen mit Anerkennung und Begeisterung auf- nahmen und ihm den deutschen Naturalismus näherbrachten.
Der aus Hamburg stammende Otto Brahm 1 , Sohn eines Kaufmanns, erlernte zunächst den Beruf eines Bankkaufmanns, fühlte sich aber so stark zur Literatur und — mehr noch — zum Theater hingezogen, daß er alles daransetzte, um sich die für einen angehenden Kritiker und Theaterfachmann erforderliche Bildung anzueigenen. Er studierte von 1876 bis 1879 in Berlin und Heidelberg Literaturwissenschaft, promovierte 1880 in Jena und war von Mai 1881 bis März 1885 als Theaterkritiker der „Vossischen Zeitung“ tätig. Er besprach hier die Aufführungen der Berliner Privattheater, während Fontane, wie bekannt, als Theaterkritiker der „Vossischen“ für das Königliche Schauspielhaus zuständig war. Brahm wurde also Fontanes jüngerer Kollege.
In den folgenden Jahren arbeitete Brahm an der Zeitschrift „Die Nation“ mit. Er wurde 1889 Mitbegründer des Theatervereins „Freie Bühne“ und war bis 1893 Leiter dieser Bühne, die eine bedeutende Rolle im Berliner Theaterleben jener Jahre gespielt hat. Vorübergehend gab er auch die dem Verein nahestehende Zeitschrift „Freie Bühne für modernes Leben“ heraus (1890/91). Seit 1892 leitete Brahm das Deutsche Theater in Berlin, seit 1904 das Lessing-Theater. Er starb im Alter von sechsundfünfzig Jahren. Die Bedeutung Brahms als Theaterleiter besteht vor allem darin, daß er Henrik Ibsen und die jüngeren deutschen Autoren, zumal Gerhart Hauptmann und Arthur Schnitzler, besonders gefördert hat.
Seit der gemeinsamen Tätigkeit für die „Vossische Zeitung“ bestand freundschaftlicher Verkehr zwischen Fontane und Brahm. Der „kleine Brahm“, wie Fontane in etlichen Briefen sagt, war öfter im Hause Fontane zu Gast. Emilie Fontane kommt auf Brahms Besuche in zwei von diesen drei Briefen zu sprechen. Fontane schätzte den Kritiker Brahm hoch, ja, er schrieb sogar am 21. Februar an seine Tochter: „Ich habe mich nie für einen großen Kritiker gehalten und weiß, daß ich an Wissen und Schärfe hinter einem Manne wie Brahm weit zurückstehe, habe das auch immer ausgesprochen [...]“. Er liebte es, mit Brahm zu debattieren, und Brahm erinnert sich in seinem Aufsatz über die „Freie Bühne“ an Streitgespräche mit Fontane, die sie führten, als Ibsen die „Revolte in der Ästhetik“ aus-
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