Heft 
(1981) 32
Seite
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Schriftsteller entwickelt, wovon besonders die Gedichte zeugen. Er erhielt den Staatsrat-Titel, verschiedene Orden bei Hofe und manche Vergünsti­gung. So hätte ihm selbst wie auch seiner konservativen Umgebung die wirkliche Abstammung als höchst unehrenhaft erscheinen müssen. Darum die Genealogie mit böhmischer oder ungarischer Adelsherrschaft als makel­loses Alibi. Vielleicht hat bereits sein Vater, als er sein Familienbuch begann, auch ganz bewußt verschwiegen, warum der Name gewechselt worden war. So ergibt schließlich dies Aufspüren der Vorfahren selbst eine Geschichte mit Einblicken in das Leben von damals, wie es gut und gern in einer Erzählung von George Hesekiel hätte Vorkommen können. (Sein jüngerer Bruder ist mein Großvater.)

Peter Goldammer (Weimar)

Fontanes Autobiographien

I Im Vorwort zu dem Ende 1893 erschienenen autobiographischen Roman Meine Kinderjahre bemerkte Fontane, seine Leser gleichsam um Entschuldigung für das Unternehmen bittend, er habe sich deshalb auf einen bestimmten Abschnitt seines Lebens beschränkt, weil es ihm nicht Tätlich erschienen sei,mit mehr als einem Bande herauszu­treten. 1 Gleichwohl bekannte der Autor dieser Kindheitserinnerungen bereits wenige Wochen nach der Auslieferung des Buches, daß die Lust zur Fortsetzung der Lebensbeschreibung da sei, daß sie ihm aber auch wieder genommen werde von der Gewißheit, dabei zahlreiche Personen zu verletzen. 2 Fontanes Drang nach Selbstdarstellung und Erlebnisbericht, nach Rechenschaftslegung und Zeitkritik war stärker als die dabei stets prä­sente Scheu,mit seinem Ich zu dauernd und zugleich zu weit und breit vor sein Publikum hinzutreten 3 , stärker auch als der vorauszusehende Verdruß mit den Freunden und Bekannten, diesolche Schreiberei wie Sache der Freundschaft, der Courteoisie etc. 4 betrachteten. Im Winter 1894/95 begann er mit der Niederschrift des zweiten Teils seiner Lebens­darstellung. Und alsVon Zwanzig bis Dreißig im Juni 1898 als Buch erschien, da versicherte der achtundsiebzigjährige Verfasser seinen Lesern abermals, daß er keine Fortsetzung zu geben gedenke wiewohl eine solche geplant gewesen sei, sonderndiesen zweiten Teil auch zugleich als letzten proklamiert habe. 5 Ein Vierteljahr später ist Theodor Fontane gestorben. Die Frage, ob er abermalswortbrüchig geworden wäre, bleibt offen. Immerhin hatte er für den dritten Teil,Kritiker-Jahre - Kritische Jahre, bereits ein Vorwort entworfen, in dem es heißt:Ich behandle in diesem Band meinen letzten Lebensabschnitt, die Jahre von 50 bis 70. Was sich seitdem noch anschloß und vielleicht weiter anschließt, ist Nachspiel. Doch wer möchte sicher sein, ob nicht der Lebensabschnitt, der hier mit Fontaneschem Understatement alsNachspiel bezeichnet wird, Gegenstand eines vierten Teils der Lebenserinnerungen geworden wäre - die Zeit,

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