Heft 
(1981) 32
Seite
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in derEffi Briest undDer Stechlin entstanden sind, in der Fontane immer demokratischer 7 wurde und die Überlegenheit der organisierten Arbeiterbewegung über diealtregierenden Klassen 8 erkannte ... ?

Der Fontane-Forscher und Fontane-Biograph Hans-Heinrich Reuter hat

nicht als erster, aber zuerst mit systematischer Konsequenz Fontanes Entwicklung zum kritisch-realistischen Erzähler als die Geschichte einer Verspätung lJ bezeichnet und beschrieben und dabei ein Wort aus den Kinderjahren, ein Wort über den Vater des Dichters auf den Sohn über­tragen : ... wie er ganz zuletzt war, so war er eigentlich 10 . Fontanes Entscheidung für autobiographische Darstellungen hängt damit aufs engste zusammen, eine Entscheidung, die beinahe auf den Tag genau zu datieren ist: den siebzigsten Geburtstag am 30. Dezember 1889. Fontane hat sich über die Ehrungen und Feierlichkeiten vorwiegend ironisch-distanziert geäußert, über diegroße Zeit, in der er,nach fünfzigjähriger fast pennsylvanischer Absperrung vom Welt- und Literaturgetriebe, plötzlich seiner Nation alsTheodorus Victor gezeigt wurde. 11 Eines aber hat ihn, bei aller Freude über die Wertschätzung durch zahlreiche bürgerliche, meist intellektuelle Verehrer, tief getroffen und geschmerzt: daß ihm die An­erkennung derer versagt blieb, über die er hauptsächlich geschrieben hatte, daß das brandenburgisch-preußische Junkertum den Verfasser derMänner und Helden, derWanderungen durch die Mark Brandenburg brüskierte. Gewiß: die Einsicht, daß adlige Geburt und adlige Gesinnung zweierlei ist und nicht selten einen Gegensatz bezeichnet, diese Einsicht hatte Fontane schon in den sechziger Jahren gewonnen, und der Prozeß der weiteren Desillusionierung läßt sich aus den Briefen der siebziger und achtziger Jahre ablesen; die Erkenntnis aber, die der Siebzigjährige gewann, war die: daß der Adel ungeachtet der weiterbestehendenrein nach der ästhetischen und novellistischen Seite hin liegenden Vorliebe des Schrift­stellersin die moderne Welt nicht mehr paßt, daß erverschwinden muß. 12 Ganz gewiß hat diese Erkenntnis wesentlich, wenn nicht gar entscheidend dazu beigetragen, daß in Fontane das Bedürfnis entstand, sich mit seiner eigenen geistigen Entwicklung und zugleich mit dem politischen Geschehen, mit den gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen in Preußen und Preußen-Deutschland, soweit sie seiner Erfahrung zugäng­lich waren, schreibend auseinanderzusetzen.

Um jene Jahreswende von 1889 zu 1890 hatte Fontane, wie gesagt, Glück­wünsche desalten Preußen erwartet; diejenigen jedoch, die sich zu seinemJubelfeste meldeten, gehörten anderen sozialen Schichten an, nicht wenige der jüdischen Intelligenz 13 , darunter der achtundzwanzig- jährige Maximilian Harden, damals Anhänger derjungen Bühne, das heißt der deutschen Naturalisten, und bald einer der meistgehaßten und -gefürchteten Gegner der Person und der Politik Kaiser Wilhelms des Zweiten. Harden hatte Fontane offensichtlich um biographische Mittei­lungen für einen Geburtstagsartikel gebeten. Dieser aber erwiderte, nach­dem er auf gedrucktes Material von fremder Hand hingewiesen hatte

alles recht schwach, leb- und lieblos, oder voll falscher Liebe, was noch schlechter ist als gar keine:Wenn ich tot bin, und es findet sich wer,

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