durch seitenlange Beschreibungen oder Abhandlungen vermochten — und vermögen.
Von den zahlreichen Rezensenten der Fontaneschen Autobiographien hat ein einziger der Funktion des „Anekdotischen“ in diesen Büchern nachgefragt: Moritz Heimann. „Dieses Anekdotische“, schrieb er 1898 im Septemberheft der „Neuen Deutschen Rundschau“, stelle „Fontanes Lebenserinnerungen auf ihren eigenen Platz abseits aller ähnlichen Schriften ... Man könnte es eine lyrische Art der Autobiographie nennen. Der Dichter, der erzählt, und er selber, von dem er erzählt, sind in jedem Augenblick dieselbe Person, nicht episch in Sänger und Held geschieden. In dem Sinne, daß, wenn jemand seine Hand betrachtet, so sind Auge und Hand der eine Mensch. Von jedem Augenblick, weil er in dem sich Erinnernden lebt, nicht in der Vergangenheit begraben ist, gibt es Willkür und Weg nach allen Seiten ... “ Man dürfe jedoch „aus dieser spazierenschreibenden Art nicht schließen, daß die so gewachsenen Bücher formlos sind. Das wäre ein großer Irrtum ... Gleichwie Fontanes Stil nach langen ausgreifenden, ausschweifenden Sätzen in einer raschen, abschließenden Ellipse wieder festen Fuß gewinnt, so kehrt auch seine Erzählung sehr entschieden von der Episode zu sich selber zurück und wird Gestalt.“ 31 Von der professionellen Literaturgeschichtsschreibung sind diese Sätze nicht — oder zumindest nie ernsthaft — zur Kenntnis genommen worden; und doch leisten sie zum Verständnis der spezifisch Fontaneschen Autobiographik mehr als alle literaturwissenschaftlichen Kommentare zusammengenommen.
II Ähnlich wie im Jahre 1889 gegenüber Harden hatte sich Fontane schon in einem Brief vom 31. Dezember 1873 geäußert: Außer „gelegentlichen Notizen, die aber selten über 10 Zeilen hinausgegangen“ seien, existiere „nichts Biographisches“ von ihm. Er habe „bisher weder den inneren Drang gehabt, derartige Aufzeichnungen zu machen“, noch sei er dazu aufgefordert worden. Das „Wesentliche“, was er erlebt habe, stehe in seinen Büchern, von denen einige seine „Reise-, Kriegs- und Wanderschicksale“ erzählten. 32 Jene selbstbiographischen Notizen hat Fontane zu verschiedenen Zeiten seines Lebens jeweils für einen bestimmten Zweck, meist auf Grund einer Bitte oder Aufforderung verfaßt. Sie haben und beanspruchen kaum literarischen Eigenwert, sofern sie nicht, als Teil eines Briefes, Zeugnis ablegen von dem „talent epistolaire“, dem Brief Schreibetalent des Autors. Dagegen läßt der Vergleich der einzelnen Texte erkennen, wie genau Fontane, den Adressaten wie den Verwendungszweck im Visier, das ihm jeweils mitteilenswert Erscheinende aus seinem Leben ausgewählt hat, wie er, von Fall zu Fall in unterschiedlicher Weise, einzelne Tätigkeiten, Ereignisse und Erlebnisse betont, andere nur beiläufig erwähnt, verschleiert oder ganz und gar unterdrückt. In dieser Art autobiographischer Selbststilisierung sind sowohl durchgängige, das heißt über Jahrzehnte hinweg wiederkehrende, wie temporäre Tendenzen erkennbar.
Besonders auffällig — und auch schon häufig bemerkt worden — ist, daß Fontane seine pharmazeutische Ausbildung und Tätigkeit nur in der unmittelbar darauf folgende Zeit, in den Anfang der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts entstandenen Aufzeichnungen erwähnt. Später ist, sofern