Heft 
(1981) 32
Seite
683
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unausgesetzten Verlangen, auf nichts hin bewundert zu werden..Alles, was angeschafft oder wohl gar ,vorgesetzt 1 wird, wird mit einem Blicke begleitet, der etwa ausdrückt: .Beglückter du, der du von diesem Kuchen esse'h, von diesem Weine trinken durftest; alles ist kindische Überschät­zung- feiner Wirtschafts- und Lebensform, die schließlich geradeso gut Sech- serWirtsch;aft ist wie meine eigne. Ja, sie ist es mehr, ist es recht eigent­lich. 38 Fontanes Typisierung und Typologisierung desBourgeoistums basiert auf persönlichen, nicht auf gesellschaftlichen Erfahrungen und Er­kenntnissen. Wie für die überwiegende Mehrzahl der Intellektuellen unter seinen Zeitgenossen gab es für ihn somit auch nur den individuellen Aus­weg aus gesellschaftlichen Zwängen. In seinem speziellen Fall hieß das zunächst: Ausbruch aus den drückenden und bedrückenden Verhältnissen seines Äpothekerdaseifis, Ausbruch um jeden Preis, auch um den der scheinbaren oder tatsächlichen politischen Gesinnungslosigkeit, um den Preis vonLüge, Verrat, Gemeinheit.

Dife zuletzt zitierte Selbstbeschuldigung sie stammt aus einem Brief an Lepel vom November 1851 39 bezieht sich darauf, daß der einstige oppo­sitionelle Poet, der radikal-demokratische Journalist der Jahre 1848 bis 1850 seine Feder in den Dienst der reaktionären preußischen Regierung gestellt hatte. Die kurzen selbstbiographisehen Skizzen geben auch über die politisch-weltanschauliche Komponente in der Entwicklung Theodor Fon- tapos nur unzureichende oder irreführende Auskünfte. Am deutlichsten zeigt sich die Tendenz, zur-politisch-ideologischen und damit auch zur ästhetisch-künstlerischen Selbststilisierung in den für Theodor Storm bestimmten Aufzeichnungen'' 0 aus dem Jahre 1854.

Storm hätte es übernommen, in demLiteraturblatt desDeutschen Kunstblattes, das von ihrem gemeinsamen Bekannten Friedrich Eggers herausgegeben wurde, über Fontane zu schreiben. Dieser, von dem Rezen­senten um Informationen gebeten, war sich bewußt, daß er nicht eigentlich das zur Verfügung stellte, was Storm wünschte, und er bekannte freimütig: die Notizen seien ihm infolge eineregoistischen Regung mehr zu einem ,'.selbstgefälligen curriculum vitae geraten. Auffälliger als die Selbst­gefälligkeit ist jedoch- die dezidierte und konsequente Selbststilisierung: Fontane wollte der literarischen Öffentlichkeit als Verfasser historischer Balladen Vorgestellt werden und insinuierte darum dem Autor eine scheinbar geradlinige, ungebrochene geistige und künstlerische Entwicklung in diese Richtung. Die politisch-oppositionellen und sozialkritischen Ge­dichte der 1 frühen vierziger Jahre werden zwar nicht geradezu verleugnet, ihre weltanschaulichen Implikationen jedoch sollen, ohne daß ihr Inhalt und die ihnen zugrunde liegende Wirkungsabsicht irgend zur Debatte stehen, als Umschlagen des Historischen ins Politische, ausgelöst durch die all­gemeine Stimmung der sogenanntenHerwegh-Zeit, erklärt und zugleich bisSchwindel desavouiert werden, als etwas also, das sowohl einen rational nicht kontrollierten Taumel wie auch Lüge oder Betrug bedeutet. Weder hier noch in den übrigen kleineren autobiographischen Texten hat Fontäne seine- Beteiligung an den Kämpfen des Jahres 1848 wie seine politische Korrespondenz für dieBerliner Zeitungshalle und dieDresd-