per Zeitung“ auch nur erwähnt. Verschwiegen aber hat er ebenso — im Unterschied zu seiner späteren Anstellung bei der „Kreuz-Zeitung“, dem Organ der konservativen preußischen Junker — die Tätigkeit für das Literarische Kabinett und die (aus diesem hervorgegangene) Zentralstelle für Preßangelegenheiten, das heißt für die Zensur-, Kontroll- und Propagandabehörde der preußischen Regierung. Der Zusammenhang zwischen seinen Aufgaben im Dienst der reaktionären Politik des Ministeriums Manteuffel und dem langjährigen Aufenthalt in England wird nirgends erwähnt oder auch nur angedeutet.
Bevor wir den Gründen für diese Verschleierungs- und Selbststilisierungstendenzen, vor allem im Hinblick auf die politisch-ideologische Entwicklung Fontanes, genauer nachfragen, muß zunächst festgestellt werden, daß er in der Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig“ zwar in vieler Hinsicht sein Leben und dessen widerspruchsvollen Verlauf mit weniger Selbstschonung beschreibt, daß aber dennoch die Mitteilungen nicht ungeprüft als Quelle für die Biographie des Dichters genommen werden dürfen. Abgesehen davon, daß ihn mitunter die Erinnerung trügt und daß er gelegentlich aus Gründen der künstlerischen Komposition, manchmal auch um des besseren Effekts willen Korrekturen an der biographischen Chronologie vornimmt — erinnert sei zum Beispiel an das angebliche zeitliche Zusammentreffen seiner Gehilfenprüfung mit dem Beginn der Veröffentlichung seiner Novelle „Geschwisterliebe“ im „Berliner Figaro“ 41 —, abgesehen von derartigen Ungenauigkeiten im Detail, wie sie jedem Verfasser einer Selbstbiographie unterlaufen und zugute zu halten sind, ist in Fontanes großen autobiographischen Werken, besonders in „Von Zwanzig bis Dreißig“, jene merkwürdige Dialektik von Selbstanalyse und mitunter schonungsloser Selbstkritik einerseits und dem Hang zur Harmonisierung seines Lebens, zum Verschweigen oder zur Verschleierung wesentlicher biographischer Tatsachen und Entwicklungsprozesse andererseits zu bemerken. Ein Beispiel möge hier genügen: An zwei verschiedenen Stellen der zweiten Autobiographie, in dem Kapitel über Wilhelm von Merckel und gegen Schluß des Ganzen, erzählt Fontane, wie er im Sommer 1850, nach dem Sieg der dänischen Truppen über die schleswig-holsteinschen bei Idstedt, nach dem Norden reiste, mit der Absicht, in die schleswig-holsteinische Armee einzutreten. 42 Als Motiv für diesen Schritt nennt er — wenngleich, das mindeste zu sagen, mit unterschiedlicher Nuancierung - seinen Enthusiasmus für die Unabhängigkeit der Herzogtümer. Es blieb jedoch bei der guten Absicht, denn ein Brief des damaligen Chefs des Literarischen Kabinetts, worin ihm seine Anstellung bei dieser Behörde mitgeteilt wurde, veranlagte ihn, sogleich nach Berlin zurückzukehren. In beiden Darstellungen verschweigt er, wie aus dem mit Bernhard von Lepel im Jahre 1850 geführten Briefwechsel hervorgeht, zweierlei: daß er es, mit Rücksicht auf die Mutter und auf die Braut, für seine „Pflicht“ gehalten hat, in Schleswig-Holstein eine „bloße Beobachterrolle“ zu spielen 42 , und daß er sich um die Anstellung im Literarischen Kabinett knapp vier Monate zuvor, seinen demokratischen Anschauungen radikal abschwörend, ausdrücklich, und zwar mit Lepels Hilfe, bei Merckel beworben hatte... 44