III Für Fontanes Kindheit und frühe Jugend — die ersten Jahre in der märkischen Kreisstadt Neuruppin, das Leben in dem Hafenstädtchen Swinemünde, dessen „gesamter Bevölkerung“ der Dichter einen „ausgesprochen internationalen Charakter“ nachgerühmt 45 , die anderthalbjährige Schulzeit auf dem Neuruppiner Gymnasium und den anschließenden Besuch der Berliner Gewerbeschule — gibt es keine anderen Zeugnisse als die eigenen Schilderungen, vor allem in dem autobiographischen Roman „Meine Kinderjahre“. In der verklärenden Rückschau hat der alte Fontane seine Kindheit und die Zeit des Heranwachsens als ausgesprochen glücklich und unbeschwert empfunden. Geistig rege und körperlich gewandt, wuchs er, im Preußen Friedrich Wilhelms des Dritten, in nahezu gänzlicher Freiheit und Ungebundenheit auf. Strenge elterliche Autorität scheint er so gut wie nie verspürt zu haben; die Erziehungsmaximen des Vaters, sofern der Ausdruck hier überhaupt am Platze ist, waren, genau wie dessen eigene Lebensführung, mehr als liberal und überschritten wohl nicht selten die Grenze zum Leichtsinn und zur Verantwortungslosigkeit, und die Mutter war weit mehr auf „gutes Aussehen“ und „gute Manieren“ ihrer Kinder bedacht als auf deren geistige Ausbildung, öffentliche Schulen hat Theodor Fontane, sieht man von dem kurzen Zwischenspiel in der „stickigen Luft“ der Swinemünder Stadtschule im Sommer und Frühherbst 1827 ab, erst von seinem dreizehnten Lebensjahr an besucht, insgesamt nicht länger als vier Jahre. Der Autor der „Kinderjahre‘ erinnert sich dieser frühen Lebensperiode nicht als einer „Schul- und Lernezeit voll Gequält- und Gedrilltwerdens“, sondern als einer Zeit „unausgesetzten Spielens“. 46 Als spielerisch, im guten wie im weniger guten Sinne, müssen wohl auch die Methoden seiner Hauslehrer, der Elementarunterricht durch die Mutter und vor allem des Vaters „sokratische Methode“ bezeichnet werden.
Der Autobiograph hat sich dieser Methode des Apothekers Louis Henri Fontane mit tiefer Dankbarkeit erinnert; hohes Lob zollt er in den „Kinderjahren“ der unkonventionellen Art der Kenntnisvermittlung, der Vorliebe des Vaters für Anekdotisches, für die Verquickung des geographischen mit dem historischen Lehrstoff. Er verdanke, schreibt er, diesem Unterricht „alles Beste, jedenfalls alles Brauchbarste“, was er wisse. „Von dem, was mir mein Vater beizubringen verstand, ist mir nichts verlorengegangen und auch nichts unnütz für mich, gewesen. Nicht bloß gesellschaftlich sind mir in einem langen Leben diese Geschichten hundertfach zugute gekommen, auch bei meinen Schreibereien waren sie mir immer wie ein Schatz- kästlein zur Hand, und wenn ich gefragt würde, welchem Lehrer ich mich so recht eigentlich zu Dank verpflichtet fühle, so würde ich antworten müssen: meinem Vater, meinem Vater, der sozusagen gar nichts wußte, mich aber mit dem aus Zeitungen und Journalen aufgepickten und über alle möglichen Themata sich verbreitenden Anekdotenreichtum unendlich viel mehr unterstützt hat als alle meine Gymnasial- und Realschullehrer zusammengenommen.“ 47 Gleichwohl hat Fontane sehr genau um das Fragwürdige dieses Unterrichts gewußt und, in dem resümierenden Schlußabsatz der „Kinderjahre“, die Lückenhaftigkeit seiner Kenntnisse fast über Gebühr betont. Wenn er abschließend feststellt, „das berühmte Wort vom .Stück-