zwischen Volk und Truppen“ 34 noch einmal revidiert, und so lautet das Resümee: „Auflehnungen ..., die mehr sind als ein Putsch, mehr als ein frech vom Zaun gebrochenes Spiel, tragen die Gewähr des Sieges in sich, wenn nicht heute, so morgen.“ 53 Etwa acht Monate nach der Niederschrift dieses Kapitels der zweiten Autobiographie, am 22. Februar 1896, wird er gegenüber seinem Londoner Freund James Morris das Bekenntnis ablegen: „Alles Interesse ruht beim vierten Stand. Der Bourgeois ist furchtbar, und Adel und Klerus sind altbacken, immer wieder dasselbe. Die neue, bessere Welt fängt erst beim vierten Stande an. ... Sie, die Arbeiter, packen alles neu an, haben nicht bloß neue Ziele, sondern auch neue Wege.“ 30 Die letzten Einsichten des alten Fontane über Revolutionen im Prozeß der fortschreitenden Menschheitsentwicklung sind nicht allein auf Volkserhebungen und revolutionäre Umwälzungen der Vergangenheit bezogen, auch nicht nur auf den Berliner Märzaufstand von 1848; die Erkenntnis, daß echte Revolutionen „die Gewähr des Sieges“ in sich tragen, schließt die Gewißheit ein, daß, früher oder später, der Gang der Geschichte von der Arbeiterklasse bestimmt wird. An diesem Punkt überschreitet Fontanes Geschichtsverständnis die Grenzen des bürgerlichen Bewußtseins.
„Meine Kinderjahre“ enden mit dem Eintritt des Zwölfjährigen in die Quarta des Neuruppiner Gymnasiums. Vor den letzten beiden Kapiteln hat der Autor ein „Intermezzo“ eingefügt, das — unter dem Titel „Vierzig Jahre später“ — ein Porträt des Vaters in dessen späten Tagen enthält. Man hat, mit Recht, dieses Kapitel als ein Meisterstück Fontanescher Porträtierkunst gepriesen und zugleich als einen Ausdrude der Pietät, der Hochachtung des Sohnes gegenüber dem Vater, der seit 1850, von seiner Frau getrennt, vereinsamt in einem Dorf bei Freienwalde an der Oder lebte. Auch auf manche Charaktereigenschaft hat man aufmerksam gemacht, die Theodor mit Louis Henri Fontane gemeinsam hatte. Über all dem aber ist eines nicht zu vergessen: Fünfzehn Jahre nach dem Tod seines Vaters hat es Theodor Fontane unternommen, sein Verhältnis zu dem Menschen zu überprüfen und ins reine zu bringen, dem er lange gezürnt und gegrollt hatte, weil er ihm die Schuld gab an den Unzulänglichkeiten und Unzuträglichkeiten der eigenen Existenz. Ohne das geringste Anzeichen von Respekt und Pietät hatte er im Oktober 1849 an Bernhard von Lepel geschrieben: „Der Egoismus meines Vaters, der immer Geld hatte für Wein und Spiel, und nie für Erziehung und Zukunft seiner Kinder, hat schlimme Frucht getragen. Man ließ mich Apotheker werden, weil man das Geld verprassen wollte, was zur Ausbildung der Kinder hätte verwendet werden müssen... “ 37 Erst in den sechziger Jahren werden die Urteile milder und verständnisvoller, so in einem Brief an den Freund Karl Zöllner, der im Sommer 1866 seinen Urlaub in Freienwalde verbrachte und den Fontane bat, seinen Vater zu besuchen: „Er ist eigentlich ein schiefgewickelter, oder ins Apothekerhafte übersetzter Weltweiser. Hinter allerhand tollem, einseitigem und übertriebenem Zeug verbirgt sich immer ein Stück wohlberechtigter Lebensanschauung.“ 51 *
In dem bereits zitierten Brief an seine Frau vom 23. August 1891 hat Fontane mit „einer Art dankbaren Staunens“ über sein Leben reflektiert,