Heft 
(1981) 32
Seite
692
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einige Kommentare zum Werk des Vaters teilweise unzutreffende, zumin­dest ungenaue Angaben auch über Theos Beruf. So blieb die Darstellung seiner Persönlichkeit lückenhaft und unklar. Umso mehr darf man es als glücklichen Umstand werten, daß das Manuskript seiner Lebenserinne­rungen vor ein paar Jahren wiedergefunden wurde, das nach seinem Tod 1933 als verloren galt.

Als älteste Enkelin konnte ich zufällig die verschollenen Papiere auf­stöbern. Das bedeutet für mich Verpflichtung den Nachkommen und der Fontane-Gemeinde gegenüber, ihnen den Menschen Theo näher zu bringen, zumal ich meinen Großvater noch bis ins eigene Erwachsensein erlebt und galiebt habe. Auch wurde mir manches von dem, was er geschrieben hat, von ihm noch erläutert.

Im Jahr 1923, während schwerer von Depressionen begleiteter Erkrankung, begann Theo Rückschau auf sein Leben zu halten und hoffte zweifellos, sich dadurch ebenso zur Genesung frei zu schreiben, wie dies seinem Vater mit denKinderjahren in so beglückender Weise gelungen war. Dieses Erfolgserlebnis blieb aber dem Sohn leider versagt. Es wurde nur eine Niederschrift zur Bilanzierung des eigenen Wirkens, um die berufliche und private Vergangenheit noch einmal zu erfassen, persönliche Erlebnisse für Frau und Kinder festzuhalten. Auf gar keinen Fall jedoch war eine Selbst­darstellung für die Öffentlichkeit beabsichtigt. Im Gegenteil. Man kann seine Aufzeichnungen ein nachgeholtes Tagebuch nennen, in dem ein Mensch mit hervorragendem Erinnerungsvermögen Wichtiges und Neben­sächliches seines Werdeganges und Tuns mit großer Genauigkeit und Aus­führlichkeit notiert hat ohne jeden Anspruch auf literarische oder zeit­kritische Bedeutung.

Deshalb soll vorrangig aus den Lebenserinnerungen nur das herausgestellt werden, für das auch heute noch Interesse vorausgesetzt werden kann. Da die Literaturhistoriker in ihrem erfolgreichen Bemühen um ein kom­plexes Bild des Menschen und Dichters Theodor Fontane vermehrt auch die familiäre Sphäre in ihre Beurteilung einbeziehen, erscheint es sinnvoll, zur weiteren Interpretation einiges aus dem Blickfeld des Sohnes bei­zusteuern.

Zur vereinfachten Information werden wichtige Lebensdaten vorangestellt.

1856 3. November Geburt von Theodore Henri Fontane in Berlin

1857/59 Aufenthalt mit Eltern und Bruder George in London 1862/71 Schulzeit auf dem Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Berlin 1871 Aufnahme in das theologische Seminar der französischen Kolonie, zugleich in das französische Gymnasium in Berlin 1875 Abitur als primus omnium, Beginn des Jura-Studiums

1878 1. juristische Staatsprüfung, Referendar

1879 JanuarSeptember Referendar am Amtsgericht Eberswalde Oktober-September 1880 das Einjährigen-Jahr beim Kaiser- Franz-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2 in Berlin Unteroffizier

1880/81 Kammergerichtsreferendar in Berlin, Reserveoffizier