frei“ verlangten, um sich dem allgemeinen Siegestaumel auf den Straßen anzuschließen. Aber Ranke lehnte ab, mit ihm übrigens nur noch ein einziger aller Berliner Schuldirektoren, und erntete damit völliges Unverständnis bei seinen Zöglingen.
Die dramatischen Ereignisse nachDomremy im Oktober und November 1870 für die Familie Fontane wirkten sich auch auf den 14jährigen Theo aus. Die Schwester Mete war im Sommer für ein Jahr zu den Freunden Mering- ton nach England gebracht worden, Bruder George stand als Leutnant seit Kriegsbeginn an vorderster Front, am 29. September verließ auch'der Vater Berlin, um in Frankreich für sein geplantes neues Kriegsbuch Material zu sammeln. So war Frau Emilie mit Theo und dem 6jährigen Friedei allein, als sie die Schreckensnachricht von der Gefangennahme des Dichters erreichte. Wenn auch der Freundeskreis ihr in den bangen Wochen der Ungewißheit um Leben und Schicksal ihres Mannes tröstend und beratend zur Seite stand, so war doch immer Theo der nächste, dem sich die Gemütsbewegungen der Mutter mitteilten und mit dem sie manche Probleme wirtschaftlicher Art als erstem besprach. Hatte sich bereits Klein-Friedels Sorge in dem Jammerruf bekundet: „Nun müssen wir alle verhungern“!, so mußten in der Tat 1 ernste Konsequenzen ins Auge gefaßt und Überlegungen angestellt werden, wie sich der Lebensbedarf auf ein Minimum reduzieren ließe, insbesondere die Erziehungskosten der Kinder. Damit wurde für den Untersekundaner Theo aus der Neigung zum Beruf des Theologen unter dem Druck der Verhältnisse ein fester Entschluß. Die Tatsache nämlich, daß bei Aufnahme in das theologische Seminar der französischen Kolonie alle Ausgaben für den Schüler mit Ausnahme von Kleidung und neuer Wäsche der Anstalt zur Last fielen oder von ihr gestundet wurden, muß sich für das Haushaltsbudget der Familie Fontane derart positiv dargestellt haben, daß der Dichter nach glücklicher Heimkehr aus der Gefangenschaft die Aufnahme seines Sohnes Theo für den Herbst 1871 in das Seminar beantragte. Wie der davon Betroffene darüber schreibt, war dies für seine weitere Entwicklung ein folgenschwerer Schritt, unabhängig davon, ob sich seine theologischen Bestrebungen erfüllen würden oder nichjt. In der Tat verließ der grade 15jährige Theo mit dem Übertritt in das Seminar für immer die Nestwärme des Elternhauses. Er hat sich zwar über die Beendigung der Schulzeit hinaus, während des Studiums und der Gerichtsreferendarzeit nahezu ständig in Berlin aufgehalten, konnte aber aus Platzmangel nicht mehr bei den Eltern wohnen. Im Gegensatz zu seinem Bruder George, der als Untersekundaner auf dem Gymnasium versagte, die Offizierslaufbahn einschlug und seinen Eltern wegen seiner „ungeregelten Finanzwirtschaft“ jahrelang Sorgen bereitete, hatte Theo gar nichts von der in der Familie gefürchteten leichtsinnigen Art des Onkel August geerbt. Wie schon die gute Tante Merckel am Kind rühmend hervorhob, war er von Natur ein sparsamer Mensch, ein „Finanzgenie“, wie ihn seine Mutter gern zu nennen pflegte, dabei großzügig und fern von jeglicher Neigung zu Geiz. Er wußte sich mit Verstand auch den bescheidensten Verhältnissen anzupassen. Ob ihm das namentlich in jungen Jahren leicht gefallen ist, mag bezweifelt werden. Beurteilt er sich doch selbst als eine schwerlebige Natur und ver-
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