Heft 
(1981) 32
Seite
698
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tiefen religiösen Veranlagung, zu der er sich sein Leben lang bekannte, auch der idealisierenden Verehrung für seinen Konflrmator. Dieser Pfarrer war zugleich Leiter des Seminars, dessen Hausgenosse Theo nunmehr wurde. Wie immer, wenn allzu menschliches Verhalten aus der Nähe erlebt schwere Enttäuschung über die bisher aus gebührender Entfernung bewun­derte Idealfigur hervorruft, merkte auch der junge Theo bald, daß seine romantisch-ethischie Vorstellung durch die im Seminar waltenden Umstände weder gefördert noch durch die Wirklichkeit für seine Wesensart ertragbar in Einklang zu bringen war. Außerdem plagten ihn zunehmend Bedenken, ob er selbst sich für den geistlichen Beruf eignen würde: rein äußerlich hielt er sein stimmliches Organ zum Predigen für zu wenig durchdringend. Schlimmer noch erschienen ihm mögliche Zweifel in Fragen des Glaubens, die er bei seiner unbedingten Aufrichtigkeit dann im seelsorgerischen Dienst an einer Gemeinde nicht verantworten zu können meinte. So gab er bereits nach zwei Jahren Seminaraufenthalt bekannt, der er sich nicht der Theo­logie zu widmen vermöge. Es war daher eine Freundlichkeit der franzö­sischen Kolonie gegenüber dem Dichter Theodor Fontane, daß sein Sohn trotzdem weiterhin als Pensionär im Seminar Unterkunft und Verpflegung fand, denn in der inzwischen von den Eltern bezogenen Wohnung Potsdamer Straße 134 c wäre kein Platz mehr zum dauernden Aufenthalt des Sohnes gewesen. Allerdings mußte der Vater nunmehr dem Konsistorium die Kosten zurückerstatten. Der Betrag von 960, M war für die beengten unsicheren Verhältnisse im Haus Fontane jedoch eine so große Summe, daß sich deren Rückzahlung bis zum Jahr 1889 hinauszog. Ab 1885, als Theo fest­besoldeter Beamter wurde, hatte er zwar für den Vater die Tilgungsraten übernommen, ohne daß jedoch das Konsistorium den Dichter aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft entließ. In seinem Bericht überTheodor Fontanes Verhältnis zur französischen Kolonie in Berlin weist auch Jean de Pablo kritisch auf diese Tatsache hin.

Noch etwas anderes begann im Seminar und wurde erst viele Jahre später wirksam: Theo freundete sich dort mit dem Seminaristen und Theologie- Studenten Eugene Devaranne an, der später Pasteur an der Kloster- Paroisse wurde und 1898 dem Dichter das letzte Geleit auf dem franzö­sischen Friedhof an der Liesenstraße gab, obwohl der Pfarrer einer andern Paroisse eigentlich dafür zuständig gewesen wäre.

Den endgültigen Entscheid, welches Studium er nunmehr ergreifen sollte, hatte Theo bis nach dem Abitur hinausgeschoben. Seiner eigentlichen Ver­anlagung entsprechend und damit auch den Vorstellungen folgend, die seinerzeit seinen Vater als Schüler bewegten, hätte er gern Philosophie studiert mit dem Endziel:Professor für Geschichte an einer Universität. Da aber mit Sicherheit nicht aus allen Studenten Professoren werden, der Weg dorthin auf jeden Fall zeit- und geldraubend geworden wäre, ihm der Ausweg, als Lehrer am Gymnasium tätig zu sein, gar nicht zusagte und er sich für die Medizin untauglich hielt, schien ihm nur das juristische Studium geeignet. Eröffneten sich dabei nicht nur dem fertigen Juristen die mannig­faltigsten Berufsmöglichkeiten. Es würden sich auch noch einigermaßen