nach Mitternacht. Es gab Ärger zwischen den Brüdern, zu dem auch noch die Eltern beitrugen, weil sie zwar Verständnis für Friedeis Aushäusigkeit zeigten, Theo dagegen krassen Egoismus vorwarfen. Das Logierverhältnis wurde dann sehr plötzlich beendet, worüber der Dichter seiner verreisten Frau in einem Brief vom 24. 8. 1882 ohne nähere Angabe von Gründen berichtet. Man spürt aber seine Verstimmung über Theo auch noch aus den Briefen der nächsten Tage, wo er dessen „Verranntheit und Verschrobenheit“ mjoniert und dazu feststellt „er wäre nicht von einem Fehler und einer Dummheit zu überzeugen“. Auch Frau Emilie scheint diese Entrüstung aber Theo geteilt zu haben.
Dadurch ist zwar die Haltung der beiden Parteien — Eltern + Friedei gegen Theo — in diesem Art Untermieterstreitfall bekannt geworden. Man möchte ihn objektiv betrachtet zu Theos Gunsten entscheiden, aber es bleibt ein Unbehagen, warum ausgerechnet diesem Sohn immer wieder die gleichen Fehler vorgeworfen werden, ohne daß die Eltern bei ihrer bekannten Einfühlungsgabe sich auch mal in Theos Lage versetzt und die Gründe überdacht hätten, die ihn zu einer bestimmten Haltung veranlaßten.
Auch aus späteren Jahren gibt es noch ein weiteres Beispiel, bei dem man das Urteil des Vaters über den Sohn als streng und humorlos bezeichnen möchte. Im Brief vom 27. 12. 1885 an seinen Freund Zöllner beklagt der Dichter einen faux pas, den Theo begangen hatte und steigert sich zu der Feststellung „Daß Theo zwar ein vorzüglicher Kerl, das beste seiner Kinder sei, dem es aber an Geschmack, Einsicht und Umblick gebricht. Für ihn als Vater läge die Sache so, daß jedes Mitgefühl, das einzige, was er sonst wohl statt Liebe leiste, in Ärger und Mißstimmung unterginge“.
Man wird mit Staunen aus den Aufzeichnungen des Sohnes erfahren, was eigentlich vorgefallen war: Theo hatte zu Weihnachten aus Münster, wo er inzwischen als Intendantur-Assessor tätig war, die Eltern besucht, um auch an der Verlobung seines Bruders George mit Martha Robert teilzunehmen. Am Vormittag dieser Familienfeier begegnete er im Hause Zöllner der Tochter Anna, mit der ihn schon lange eine gute Freundschaft verband. Er war nach der tristen Zeit in Münster, die gar keine Möglichkeit zu gesellschaftlichem Umgang geboten hatte, so entzückt vom Anblick seiner Jugendfreundin, daß er sie spontan fragte: „Was würdest Du dazu sagen, wenn wir bei Roberts Doppelverlobung feiern würden?“. Der Korb, den ihm das junge Mädchen auf diesen Antrag gab - entweder war sie schon gebunden oder sie fühlte sich bereits krank, denn sie starb etwa ein Jahr später — hat Theo im Augenblick zwar geschmerzt, er empfand ihn aber nicht als kränkend. Seine Freunde, Studiengefährten, Kollegen, Vorgesetzte wiei Untergebene haben offensichtlich keinen Anstoß daran genommen, daß sich - wie der Vater 1887 erneut kritisiert „Tugend, Philistertum und Forschete in ihm bekämpfen“ — sondern sie haben ihm lebenslange Freundschaft und Wertschätzung bewahrt. Sein Fleiß, seine Korrektheit, sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und sein Humor haben zusammen mit seinem verbindlichen Wesen ihm Anerkennung und Achtung verschafft und waren Anlaß auch für alle beruflichen Erfolge.