Heft 
(1981) 32
Seite
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daß er jedoch nicht alsGeschichtsschreiber mißverstanden werden wollte. Dennoch läßt sich die Zeit der Handlung eindeutig fixieren: Der Kurfürst, der Tangermünde besucht, wird namentlich nicht benannt, das ihn charak­terisierende Element, sein Übertritt vom Lutheranertum zum reformierten Glauben, macht ihn eindeutig identifizierter. Es handelt sich dabei um Kurfürst Johann Sigimsund, der im Jahre 1613 diesen Übertritt vollzog. Nicht der geschichtsschreiberischen Treue wegen erwähnt Fontane dieses Ereignis (der Besuch des Kurfürsten in Tangermünde läßt sich historisch nicht belegen), sondern dieser Kurfürst und sein Übertritt geben ihm Anlaß, sein Verständnis von Toleranz durch ein Beispiel aus der Vergangenheit des preußischen Monarchenhauses zu illustrieren.

Der große Brand, der den Stoff für die Novelle bildet, ereignete sich im Jahre 1617 in Tangermünde.

Aber auch der Fall, daß wandernde Puppenspieler das Rathaus in Brand setzten, beruht auf geschichtlicher Überlieferung: Dieses Ereignis datiert jedoch später, aus dem Jahre 1646. 19

Schon aus dieser freien Kombination historischer Tatsachen läßt sich ent­nehmen, daß es Fontane nicht auf absolute historische Treue der Darstellung ankam, daß es sich hierbei nicht um einehistorisierende, die Geschichte bloß verlebendigende, schriftstellerische Fleißarbeit handelt, sondern daß Fontane das historisch Nachweisbare nur als Rohstoff seinen eigenen Gestaltungswünschen unterordnete, um Eigenes auszudrücken.

Auch an anderen wichtigen Punkten sind Abweichungen von geschichtlich Überliefertem deutlich: Das Geschlecht von Minden war ein altes Tanger­münder Patriziergeschlecht. Hans von Minden etwa, ein Begründer des Wohlstands der Familie, war Aufseher der kurfürstlichen Forsten der Gegend. Einer seiner Enkel, Peter von Minden, mußte wegen eines Tot­schlages die Stadt verlassen, heiratete ein armes Mädchen, das ihm eine Tochter gebar, und verstarb in der Fremde. Die Ehefrau kehrte mit dem Kind, Grete Minde, nach Tangermünde zurück, ihr Erbe zu fordern. Ihr Schwager, Heinrich von Minden, verweigerte dies. Der Rat der Stadt unter­stützte zwar den Anspruch der Frau, konnte oder wollte ihr jedoch nicht wirksam helfen. Die Frau verließ die Stadt mit dem Schwur, sich an ihr zu rächen.

Die Tochter, Grete Minde, kehrte nach dem Tod ihrer Mutter wieder als Dienstmagd nach Tangermünde zurück und heiratete einen unsteten Sol­daten namens Anton Meilahn. Im September 1617, als Grete Minde krank in Apenburg lag, brach' das verheerende Feuer in Tangermünde aus.

Es stellte sich heraus, daß diesen Brand der Ehemann Grete Mindes gelegt hatte. Auf der Folter gestand er, und er beschuldigte gleichzeitig seine Frau, ihn zu dieser Tat bewogen zu haben. Ihre Schuld blieb umstritten, dennoch wurden beide grausam hingerichtet.

Soweit die den Quellen zu entnehmende Darstellung.

Fontane strafft nicht nur die Darstellung, indem er die zwei Generationen umfassende Geschichte der Deklassierung und des Untergangs der Nach­kommen eines Patriziergeschlechts auf eine Generation kürzt: Wesentlich

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