Heft 
(1981) 32
Seite
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oft dauerte es Stunden, bis eine winzige Szene im Kasten war. Manchmal photographierte er nur Bäume, Hecken oder Vögel, die am Himmel flogen, oder eine Wiese, auf der eigentlich gar nichts vorging. Und doch war dies alles Erzählung im höchsten Sinn. Es gab in diesem Film keinen Meter, der nicht unbedingt nötig gewesen wäre, der die Handlung nicht weitergeführt hätte. Es war ein großer Film, und es war ein Film gegen die Zeit. In den Tagen der großen Worte, der täglichen Kriegsdrohungen Hitlers, der Fanfaren, der Flugzeuge am Himmel, der Hetzreden von Goebbels, der Versicherung von Göring, Kanonen seien wichtiger als Butter in diese Zeit paßte der stille Fontane so ganz und gar nicht. Und wurde vielleicht dadurch zum Erfolg. Mit seinen leisen Gesten und leisen Worten übertönte er den hysterischer Lärm, der in Deutschland... ausgebrochen war.

Ich weiß, daß GG, der Erfolg schätzte, gerade diesem Film mit einem gewissen Gleichmut gegenüberstand. Er hatte diesen Film machen wollen, ihn so machen wollen, wie er es nun getan hatte und etwas anderes zählte für ihn nicht. Als ich ihm etwa ein Jahr vor seinem Tode erzählte, daß ich den Film wiedergesehen hätte, wurde er nicht müde, sich von mir Einzelheiten berichten zu lassen. Und als ich ihm schließlich sagte: ,Das ist doch wirklich ein herrlicher Film! 1 , antwortete er leise: ,Das sind herr­liche Erinnerungen ... 7 Wenn auch Curt Riess in diesen Worten Fontane selbst etwas zu sehr verinnerlicht sieht, der Wertung des Films stimme ich nach wiederholter Begegnung voll zu. Im einzelnen sind in der Reminiszenz des Gründgens-Biographen folgende Grundzüge der ersten Verfilmung von Elfi Briest aufgehoben: 1. Das erfolgreiche Bemühen um objektive Litera­turverfilmung. Werkgemäßheit offenbart sich in der wörtlichen Übernahme der Dialoge und in der filmischen Verstärkung von Fontanes Andeutungs­und Symbolstil. Ein visueller Höhepunkt ist die optische Gestaltung der inneren Beziehungen zwischen Effi und dem Element des Meeres. Die märkische Landschaft scheint über die konkreten Werkbeziehungen hinaus zum Sinnbild für durch die Nazis unzerstörbare deutsche Natur zu werden.

2. Die Durchkomponiertheit des Films. Der Streifen enthält gleichsam keine freie Note, wie Thomas Mann, einer der unmittelbaren Nachfahren Fon­tanes, eine seiner Anforderungen an Dichtung nannte. Die Details sind entweder handlungsmäßig oder symbolisch bedeutsam. Die gelegentliche Vereinigung von Rollen steht im Dienste von Konzentration und bedeutet keinen Verstoß gegen die Werkgemäßheit der Verfilmung.

3. Objektive Regie. Die aus der Opposition gegen Regiewillkür geborene Forderung des Theaterkritikers Herbert Ihering nach richtiger, dienender Regie hat Gustaf Gründgens praktisch! und theoretisch 8 beherzigt. Die Instrumente dazu waren neben der differenzierten, bisweilen allerdings etwas theatralisch starren Kamera Ewald Daubs vor allem die großen, von Ensemblegeist erfüllten Bühnendarsteller.Der Schritt vom Wege ist ein Ensemble- und Schauspielerfllm. Eine immer wieder beglückend wirkende Verkörperung der Effi bietet Marianne Hoppe dank ihrer herben Schönheit, dank ihres künstlerischen Maßes und Taktes, dank ihres im­mensen mimischen und stimmlichen Ausdrucksreichtums, dank der erstaunlichen Vielfalt ihrer Töne. Ihr gelingt es sogar, kompliziertere,

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