gemäßheit auf mehr episierende Weise. Dabei werden die gesellschaftlichen Bezüge mit der Tendenz zum Typenhaften und Historisch-Illustrativen ausgespielt. Während Angelica Domröse eine sensible und vielschichtige Effi gibt, an der besonders die Frische des Naturkindes beeindruckt, und Walter Lendrich als Gieshübler und Lisa Macheiner als Ministersfrau zu überzeugen vermögen, wirken Horst Schulze als Innstetten, Gerhard Bienert als alter Briest und Inge Keller als Mutter starr und statisch, also letztlich auch theatralisch. Horst Schulze bleibt hinter seiner Verkörperung des Maklers Slift in Brechts „Heiliger Johanna der Schlachthöfe“ auf der Bühne des Dresdner Schauspielhauses klar zurück. Das Problem der filmischen Umsetzung der Fontane-Sprache ist bei Schulze, Bienert und Keller, die ihren Text deklamieren und nicht von innen her gestalten, nicht gelöst. Allerdings konnte im Film von 1939 auch Paul Bildt als alter Briest nicht überzeugen. Entweder lag es an der filmischen Monotonie und Uberdeutlichkeit des literarischen sprachlichen Leitmotivs „Das ist ein weites Feld“ an sich, oder Bildt hat erst nach 1945 auf der Bühne des Deutschen Theaters und in DEFA-Filmen wie „Affaire Blum“ und „Der Rat der Götter“ seine realistische Leuchtkraft als Darsteller wiedergewonnen.
Wenn der „Schritt vom Wege“ bis heute die ästhetisch eindrucksvollste Verfilmung von „Effi Briest“ geblieben ist, dann liegt dies sicherlich am zwingenden gesellschaftlichen Impuls, an der versteckten Widerstandsabsicht und an der Vielzahl großer Menschendarsteller, die zum Teil noch aus dem realistischen Theater der Weimarer Republik hervorgegangen waren, echte Theaterkritik und nicht nur „Kunstbetrachtung“ erfahren hatten und die sich jetzt unter der Leitung von Gustaf Gründgens, der aus heutiger Sicht insgesamt einer der letzten am klassischen bürgerlichen Humanismus orientierten großen bürgerlichen Regisseure war, zusammenschlossen. „Der Schritt vom Wege“ ist Gründgens-Theater mit Hilfe des kritisch-realistischen Tonfilms und notwendigen inneren Widerstandes gegen den deutschen Faschismus. Humanistische bürgerliche Künstler, darunter die vom proletarisch-revolutionären Film herkommende Renee Stobrawa in der Rolle der Roswitha, die sonst zu Kompromissen und Anpassung gezwungen waren, haben sich hier weitgehend in ihrer eigentlichen künstlerischen Indentität verwirklicht, was die rückblickende Bewertung durch Gründgens selbst eindringlich bestätigt. Dabei kam ihnen zugute, daß die antifeudale und antipreußische Tendenz auch manchem Nazi, der sich von den konservativen Junkern übersehen fühlte, willkommen war und daß in der Zeit vor Beginn des Zweiten Weltkrieges aus propagandistischen Gründen selbst das sog. 3. Reich bisweilen an seriösen künstlerischen Filmen interessiert war. Das Wort vom KZ auf Urlaub, das Heinz Hilpert im Hinblick auf die damalige Situation des Deutschen Theaters prägte, mag in freilich abgeschwächtem Sinne auch für den „Schritt vom Wege“ gelten, der zweifellos ein „Schritt vom Wege“ des unverbindlichen Unterhaltungsfilms bzw. des Propagandafllms war, den im Goebbels- Bereich verbreitetsten filmischen Varianten. „Der Schritt vom Wege“ ist in meinen Augen die bedeutendste Literaturverfilmung aus dieser Zeit 11 , wenn nicht der bedeutendste Film aus dieser Zeit überhaupt.
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