Issue 
(1981) 32
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727
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dafür sind das relativ freie Nacherzählen des Romans, die Umgestaltung ver­schiedener Episoden (des Ressourcen-Vergnügens, des Steckenbleibens auf der Rüdefahrt davon, die Entdeckung der Briefe durch Anni, die Art, wie Effi von der Verstoßung erfährt usw.) und, neben der stilistischen Unsicherheit des Dreh­buchautors, der ungenügend entwickelte Stilwille des Regisseurs, dem es, im Unterschied zu Gründgens, nicht gelang, die bedeutenden Darsteller einem ein­heitlichen und Fontane gemäßen künstlerischen Ausdruck zu unterwerfen. Die schauspielerischen Leistungen wirken kahl und unpoetisch. Carl Raddatz als Crampas wirkt banal, wie ein preußischer Unteroffizier, menschlich und ästhe­tisch ohne Niveau, ganz im Gegensatz zur relativen Noblesse und zur Stüisiertheit von Paul Hartmanns Crampas aus dem Jahre 1939. Paul Hartmann, diesmal als alter Briest eingesetzt, kann aber seinerseits auch nicht an die eigene konzen­trierte und stilisierte, atmosphärisch dichte Leistung imSchritt vom Wege anknüpfen. Ohne jede Ausstrahlung, ohne Jede humanistische Leuchtkraft Günter Lüders als Gieshübler, in unendlichem Abstand von der kauzigen Liebenswürdig­keit Marx Gülstorffs. Der negative, konfektionierte Abfall ließe sich weiter nachweisen an den Verkörperungen lnnstettens (Bernhard WiCki), Frau von Briests (Lil Dagover), Wüllersdorfs, Roswithas usw. Ruth Leuwerick, die ins­gesamt noch dieb este Leistung bietet, wirkt umrißarm, bringt Effis Entwicklung kaum zum Ausdruck. Relativ rollengemäß Lola Müthel als Tripelli. Die von Heinkel betonte Austauschbarkeit der Milieus offenbart sich kraß in der Land­schaftsdarstellung. Die Authentizität und Poesie der märkischen Landschaft, die Gründgens als Ausdruck urbanen Heimatbewußtseins erreichte, fehlt völlig.

R. W. Faßbinders FilmTheodor Fontane: Effi Briest fand in der Presse der Bundesrepublik ein widersprüchliches Echo. Friedrich Luft zum Beispiel äußerte sich enthusiastisch:Die schönste, treffendste, richtigste Fontane-Verfilmung, die wir bis Jetzt hatten. Ein Meisterwerk. DieFrankfurter Rundschau fand in ihrer Nummer vom 4. 10. 1974 den Film Faßbindersärmlich und zugleich überstilisiert und Marianne Hoppekonkurrenzlos, also auch durch Hanna SChygulla, die Effi Faßbinders, nicht übertroffen. In die geistig reduzierende Richtung weist vollends die wissenschaftliche Untersuchung von Nikola HoeltzEffi Briest. Der Roman von Th. Fontane und die gleichnamige Verfilmung von R. W. Faßbinder, die, verbunden mit einer Rezension der Verfilmung desStechlin durch das westdeutsche Fernsehen, gekürzt imKürbiskern (2/1979), dem kulturpolitischen Organ der DKP, erschien. N. Hoeltz schreibt über den Effi-Briest-Film Faßbinders u. a.:Der Film verzichtet auf Effis Verlobung und Hochzeit, ihre Besuche im Pfarr- und Kantorhaus, versäumt damit die Gelegenheit zur Schilderung des landadligen Milieus und zur Differenzierung von Effis sozialer Umwelt. Die Kes- siner Erlebnisse schrumpfen zugunsten der Szenen, die mit dem Spuk Zusam­menhängen . .. Durch das Weglassen der gesellschaftlichen Ereignisse - auch in Kessin fehlen sie - bzw. durch die einseitige Konfrontation mit den Hauptbezugs­personen Innstetten. Eltern, Crampas und Roswitha wird die im gesellschaftlichen System liegende Ursache von Effis Einsamkeit nicht gezeigt. Kürzungen der Dialogstellen zwischen Effi und Innstetten. die Konzentration auf solche, in denen hauptsächlich die verhärteten Standpunkte Rechthaberei, Kälte und Distanz auf der Seite lnnstettens, Leiden und Melancholie bei Effi zum Tragen kommen, die versuchten Annäherungen, Zärtlichkeiten aber entfallen, reduziert die Ehe auf eine Monotonie in den Beziehungen der beiden und führt zur. Vorhersagbarkeit ihrer Verhaltensweisen. Die Verkürzung der Charaktere wird durch weitere Codes gestutzt. Musik eine immer gleiche, leitmotivisch klagende Geigenmelodie . . Innstetten gibt ausnahmslos den starren Typ der strengen und unmensch­lichen Standesperson . . . Hanna Schygulla als Effi spricht fast immer in der gleichen, einförmig sich hinziehenden, leisen, empfindsamen Tonlage. Verhaltene Bewegungen, eine leidende, allenfalls lächelnde Miene bestimmen ihr Auftreten, lassen sie auf diese Welse nur als .Gebrochene* überzeugend wirken. Fazit der Nikola Hoeltz:Fontanes differenzierendes Facettenauge seigegen Faßbinders traurige Monooptik ausgewechselt (a. a. O., S. 96 f.). N. Hoeltz beschreibt und bedauert damit Verlust an Historizität und Realismus, Annäherung Fontanes an die Einseitigkeit August Strindbergs, R. W. Faßbinder hat in seinemEffi-Briest- Film offenbar nicht das realistische Niveau seines FilmsKatzelmacher (1969) wahren können, in dem er mit hoher sprachlicher und bildlicher Stilisierungs­kunst kleinbürgerlich-banales Leben in Bayern, besonders kleinbürgerliche Aggressionen gegen die sog. Gastarbeiter, enthüllte.

An vergleichbaren Literaturverfilmungen aus dieser Zeit sind zu nennen:Der zerbrochene Krug mit Emil Jannings als Dorfrichter Adam (1937),Der Maul­korb (1938) nach dem Roman Heinrich Spoerls unter der Regie von Erich Engel mit R. a. Roberts als Staatsanwalt, der in der Trunkenheit Majestät beleidigt hat und nun gleich Dorfrichter Adam gegen sich selbst ermitteln muß;Kleider machen Leute (1940) nach der Novelle G. Kellers unter der Regie von Helmut Käutner mit Heinz Rühmann. Die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg waren also für die Verfilmung realistischer Literatur relativ günstig. Den genannten Streifen ist der Gründgens-Film durch Ausgewogenheit und Geradlinigkeit überlegen.