Issue 
(1981) 32
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Im Kommentar der Aufbau-Ausgabe wurde 1969 von Gotthard Erler der Nachweis erbracht, daß Fontane auch für den RomanGraf Petöfy den Anstoß und bis zu einem gewissen Grade den Stoff der Wirklichkeit verdankte 7 . Im Mai 1880 hatte der 68jährige ungarische Graf Nikolaus Casimir Török von Szendrö in zweiter Ehe die aus Königsberg gebürtige Burgschauspielerin Johanna Buska geheiratet, die Fontane aus der Zeit ihrer Tätigkeit am Königlichen Schauspielhaus in Berlin kannte und schätzte. Die Schauspielerin, weniger als halb so alt wie der Graf, zählte 32 Jahre. Am 21. Mai 1880 berichtete die BerlinerNational-Zeitung, die Fontane zu lesen pflegte, über die Wiener Abschiedsvorstellung Johanna Buskas, nicht ohne auf die Alters- und Standesunterschiede des Brautpaares vorsichtig hinzuweisen; Fontane unterhielt seinerseits wenig später die Leser derVossischen Zeitung durch eine Anspielung ( ... wenn Fräulein Buska, wie ich vor ein paar Tagen gelesen habe, sieben Jahre gebraucht hat, um österreichische Frau Generalleutnant zu werden ... 3 ). Schon sehr bald darauf hat er die novellistische Behandlung des Stoffes ins Auge gefaßt, Vorarbeiten werden von Fricke bereits für Juli 1880 angenommen' 1 . Knapp vier Jahre später starb Graf Török an einem Schlaganfall. Die National-Zeitung brachte noch einmal eine Notiz, die u. a. den Hinweis enthielt, daß der Ehe des Grafen mit Johanna Buska ein Sohn entsprossen sei; gesellschaftlich habe das Paar ganz zurückgezogen gelebt, nur dem Theatervergnügen wie seit jeher gehuldigt. Fontane, der seinen Roman inzwischen abgeschlossen hatte die Buchausgabe sollte im November 1884 erscheinen, schnitt die Nachricht aus und schickte sie noch am gleichen Tag an seine Frau mit der Bemerkung:In der ,Nat. Ztng. fand ich eben die beiliegende Notiz. Török ist Petöfy und die Buska ist Franziska sie wird aber wohl weniger geistreich sein und gewiß irgendeinen Egon hei- raten' 1 . Erler bemerkt dazu abschließend, daß Johanna Buska tatsächlich noch im gleichen Jahr eine neue Ehe mit dem Direktor des Deutschen Landestheaters in Prag, Angelo Neumann, eingegangen sei. Damit ist das für das Verständnis der Entstehungsgeschichte und für Fontanes Perspek­tive Nötige auch gesagt, denn es gibt keinen Beleg dafür, daß der Dichter mehr über den Fall Buska wußte, als er in der Berliner Presse gelesen hatte. Für die zweite Auflage der Hanser-Ausgabe habe ich 1970 die Angaben des Aufbau-Kommentars übernommen.

Wo findet man nun die Vor- und Nachgeschichte dieser gesellschaftlich so unkonventionellen Ehebindung? Wo sie der Fontane-Kommentator nicht ln erster Linie suchen wird bei Egon Erwin Kisch, in der Reportagen­sammlungMarktplatz der Sensationen. Der Band, der so viele Prager Erinnerungen Kischs verarbeitet und, wie sein Titel verheißt, tatsächlich von Seite zu Seite von Überraschungen überquillt, enthält auch einen AbschnittVorträge und Theater. Darin kommt, nach Erwähnung anderer Prager Größen, die Reihe auch an Angelo Neumann. Lokalgeschichte und Welthistorie treten unvermittelt in Beziehung. Aber geben wir dem großen Reporter selbst das Wort:

»Angelos Neumanns Amt, sein Äußeres und vor allem seine Ehe machten Ihn zu einer mythischen Gestalt. Er war Direktor der beiden deutschen

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