Soweit Egon Erwin Kisch, der noch die Bemerkung anschließt, daß die Eheschließung Johanna Buskas mit dem alten Feldmarschalleutnant „allen Tempelhüterinnen Thalias in deutschen Landen als Gipfel der Karriere erschien und sogar von Theodor Fontane in diesem Sinne behandelt wurde“ 9 . Kisch wußte also zumindest von der Existenz eines Romans von Fontane, der den Buska-Török-Stoff darstellte; gelesen hatte er ihn aber anscheinend nicht, jedenfals trifft das, was er zur Thematik sagt, nicht den Kern. Überhaupt scheinen Kischs Angaben nicht durchgehend zuverlässig, sondern auf ungenauen und lückenhaften Erinnerungen zu beruhen. Es kann nicht stimmen, daß dem alten Grafen „knapp nach der Hochzeit und noch knapper vor seinem Tode“ der Sohn geboren wurde, währte die Ehe doch vier Jahre! Unerwähnt bleibt, daß etwa einen Monat vor der Verbindung Töröks mit der Buska die Eheschließung des Kronprinzen mit Stephanie von Belgien erfolgte, was zusätzlich Anlaß zu energischen Schritten des Hofes gegeben haben könnte; Kisch schreibt in diesem Zusammenhang nur, Rudolf „mußte Wien für einige Zeit verlassen“. Interessant ist hierbei, daß bereits im Kommentar der Aufbau-Ausgabe eine freilich anders geartete Verbindung zwischen Türök und Rudolf erwähnt wird: „Török, der in jungen Jahren in die kaiserliche Armee eingetreten war, hatte sich einen Ruf als tollkühner Reiteroffizier und als einfallsreicher Organisator glanzvoller Festlichkeiten mit Reiterspielen erworben (gerade im Frühjahr 1880 war sein Name oft genannt worden, da er das ,Carrousel‘ zur Vermählung des Kronprinzen Rudolf am 17. April 1880 arrangiert hatte). Er war zum Generalmajor und Gardewachtmeister der königlichungarischen adligen Leibgarde avanciert.“ 19 Biographische Einzelheiten können jedoch an dieser Stelle nicht überprüft werden. Leben und Tod des Kronprinzen sind von Legenden umwoben bis hin zu dem gewaltsamen Ende auf Schloß Mayerling, für das noch die jüngste Generation neue Auslegungen bereit hält. Gezeigt werden soll nur: Kischs Bericht verknüpft die Fabel von Fontanes Roman glaubwürdig mit einem aufschlußreichen Kapitel der Gesellschaftsgeschichte des späten 19. Jahrhunderts und der Dekadenz des Habsburgerreiches.
Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Fontane von diesem Zusammenhang auch nur eine Ahnung hatte, obgleich andererseits natürlich nicht auszuschließen ist, daß ein Gerücht an sein Ohr gedrungen war. Mit seinem hochentwickelten Sinn für die pikante historische Anekdote hätte er Kischs Reportage gewiß mit Vergnügen gelesen. Was er in „Graf Petöfy“ darzustellen unternommen hatte, war freilich etwas psychologisch und künstlerisch Hochartifizielles, und dafür brauchte er die eher trivialen Handlungsvehikel der chronique scandaleuse des Wiener Hofes nicht. Das Thema der Ehe zwischen einem alternden Mann und einer jungen Frau, das Fontane wiederholt beschäftigt hat, war hier in einer gesellschaftlich besonders pointierten Weise vorgegeben. Konkret ging es um den gefährlichen „Pakt“, der es dem einsamen, theater- und konversationsbegierigen Aristokraten erlauben soll, neben und mit der kapriziösen, dabei so bezaubernd natürlichen bürgerlichen Schauspielerin zu leben, als habe er sie nicht zur Ehe genommen — ein allzu künstliches Kalkül, an dem er zu-
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