Heft 
(1981) 32
Seite
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Soweit Egon Erwin Kisch, der noch die Bemerkung anschließt, daß die Eheschließung Johanna Buskas mit dem alten Feldmarschalleutnantallen Tempelhüterinnen Thalias in deutschen Landen als Gipfel der Karriere erschien und sogar von Theodor Fontane in diesem Sinne behandelt wurde 9 . Kisch wußte also zumindest von der Existenz eines Romans von Fontane, der den Buska-Török-Stoff darstellte; gelesen hatte er ihn aber anscheinend nicht, jedenfals trifft das, was er zur Thematik sagt, nicht den Kern. Überhaupt scheinen Kischs Angaben nicht durchgehend zuverlässig, sondern auf ungenauen und lückenhaften Erinnerungen zu beruhen. Es kann nicht stimmen, daß dem alten Grafenknapp nach der Hochzeit und noch knapper vor seinem Tode der Sohn geboren wurde, währte die Ehe doch vier Jahre! Unerwähnt bleibt, daß etwa einen Monat vor der Ver­bindung Töröks mit der Buska die Eheschließung des Kronprinzen mit Stephanie von Belgien erfolgte, was zusätzlich Anlaß zu energischen Schrit­ten des Hofes gegeben haben könnte; Kisch schreibt in diesem Zusammen­hang nur, Rudolfmußte Wien für einige Zeit verlassen. Interessant ist hierbei, daß bereits im Kommentar der Aufbau-Ausgabe eine freilich anders geartete Verbindung zwischen Türök und Rudolf erwähnt wird: Török, der in jungen Jahren in die kaiserliche Armee eingetreten war, hatte sich einen Ruf als tollkühner Reiteroffizier und als einfallsreicher Organisator glanzvoller Festlichkeiten mit Reiterspielen erworben (gerade im Frühjahr 1880 war sein Name oft genannt worden, da er das ,Carrousel zur Vermählung des Kronprinzen Rudolf am 17. April 1880 arrangiert hatte). Er war zum Generalmajor und Gardewachtmeister der königlich­ungarischen adligen Leibgarde avanciert. 19 Biographische Einzelheiten können jedoch an dieser Stelle nicht überprüft werden. Leben und Tod des Kronprinzen sind von Legenden umwoben bis hin zu dem gewaltsamen Ende auf Schloß Mayerling, für das noch die jüngste Generation neue Auslegungen bereit hält. Gezeigt werden soll nur: Kischs Bericht ver­knüpft die Fabel von Fontanes Roman glaubwürdig mit einem aufschluß­reichen Kapitel der Gesellschaftsgeschichte des späten 19. Jahrhunderts und der Dekadenz des Habsburgerreiches.

Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Fontane von diesem Zusammenhang auch nur eine Ahnung hatte, obgleich andererseits natürlich nicht auszu­schließen ist, daß ein Gerücht an sein Ohr gedrungen war. Mit seinem hochentwickelten Sinn für die pikante historische Anekdote hätte er Kischs Reportage gewiß mit Vergnügen gelesen. Was er inGraf Petöfy darzu­stellen unternommen hatte, war freilich etwas psychologisch und künstlerisch Hochartifizielles, und dafür brauchte er die eher trivialen Handlungsvehikel der chronique scandaleuse des Wiener Hofes nicht. Das Thema der Ehe zwischen einem alternden Mann und einer jungen Frau, das Fontane wiederholt beschäftigt hat, war hier in einer gesellschaftlich besonders pointierten Weise vorgegeben. Konkret ging es um den gefähr­lichenPakt, der es dem einsamen, theater- und konversationsbegierigen Aristokraten erlauben soll, neben und mit der kapriziösen, dabei so bezau­bernd natürlichen bürgerlichen Schauspielerin zu leben, als habe er sie nicht zur Ehe genommen ein allzu künstliches Kalkül, an dem er zu-

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