grundegeht. Fontanes Kritiker haben diese Künstlichkeit menschlicher Handelnsweise zuweilen verurteilt, als habe Fontane nicht selbst ihr zwangsläufiges Scheitern gezeigt". Freilich war das klare Urteil des Dichters verbunden mit einem hohen Maß an Verständnis und subtiler Psychologie — „Graf Petöfy“ war ein Roman für Leser, die einer differenzierten Betrachtungsweise zu folgen gewillt waren.
Was Fontane von der Wirklichkeit empfing, war in diesem Fall nur die Anregung zu einer Idee. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, daß der Dichter diesen Eheroman nicht im Nachhinein schrieb, sondern als die Beteiligten ihre Ehe noch lebten. Nur für einen Augenblick berührten sich Wirklichkeit und Kunst, um sich dann, gleichsam interesselos, wieder voneinander zu trennen. Was ihnen wirklich gemeinsam war, war weniger das Reale der Stoffgeschichte als das Fluidum des gesellschaftlichen Zustands. Ob es ein „Pakt“ war, ob eine „Heirat auf Befehl“, Fontane hatte einen Roman seiner Zeit geschrieben 12 .
Anmerkungen
1 An Julius Rodenberg, 21. November 1888, ln: Theodor Fontane, Briefe an Julius Rodenberg. Eine Dokumentation. Hrsg, von Hans-Heinrich ReuOer. Berlin und Weimar 1969, S. 28.
2 Theodor Fontane, Romane und Erzählungen ln acht Bänden. Hrsg, von Peter Goldammer, Gotthard Erler, Anita Golz und JUrgen Jahn. Vierter Band. Berlin und Weimar 1969, S. 504 (künftig zitiert: Aufbau).
3 Theodor Fontane, Werke, Schriften und Briefe. Hrsg, von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. Erste Abteilung. Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes. Erster Band. 2. rev. Aufl. München 1970, S. 993 (künftig zitiert: Hanser).
4 Hanser, S. 993.
5 Die Notiz ist vollständig abgedruckt in Aufbau 4, S. 563; Hanser I, 1, S. 1101 f.
6 Aufbau 4, S. 504; Hanser I, 1, S. 1101.
7 Egon Erwin Kisch, Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Hrsg, von Bodo Uhse und Gisela Kisch. Siebenter Band. Marktplatz der Sensationen. Entdeckungen in Mexiko. Berlin und Weimar 1979*. - Diese Ausgabe enthält die Sammlung „Marktplatz der Sensationen“ in einer gegenüber der ersten Ausgabe von 1942 in Mexiko um zwölf Reportagen erweiterten Fassung, von denen sieben noch von Kisch selbst für die Neuausgabe 1947 im Globus-Verlag, Wien, ergänzt, fünf erstmals aus dem Nachlaß zum Abdruck gelangt sind. Welcher Gruppe der Beitrag „Vorträge und Theater“ zuzurechnen, wann dieser mithin zuerst erschienen ist, weist der Apparat der Ausgabe nicht nach (künftig zitiert: Kisch).
8 Kisch, S. 69 ff.
9 Kisch, S. 73.
10 Aufbau 4, S. 502.
11 Vgl. Walter Müller-Seidel, Theodor Fontane. Soziale Romankunst in Deutschland. Stuttgart 1975, S. 412 ff.
12 Die gründliche neue Biographie von Brigitte Hamann: Rudolf. Kronprinz und Rebell. Wien, München 1978, erwähnt Johanna Buska nur beiläufig und schenkt ihren weiteren Schicksalen nach der Affäre mit dem Kronprinzen keine Aufmerksamkeit: „Der Hoftratsch, die .erste Liebe' Rudolfs sei die (sorgfältig ausgesuchte) Burgschauspielerin Johanna Buska gewesen, scheint zu stimmen, denn einige Hinweise auf sie sind im Nachlaß Rudolfs zu finden: ihr Aquarellporträt - diskret in einer blauen Samtmappe verborgen - zeigt eine blonde, hübsche Frau, freilich nicht von der grazilen, dunklen Schönheit, die Rudolf später bevorzugte.“ (Hamann, a. a. O., S. 107 f.) - Die ältere wissenschaftliche Biographie von Oskar Freiherrn von Mitls („Das Leben des Kronprinzen Rudolf. Mit Briefen und Schriften aus dessen Nachlaß“, Leipzig 1928) läßt den Vorgang unberücksichtigt.
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