Heft 
(1981) 32
Seite
734
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unmerklichen Stilisierung bei der Namensgebung (Caputh Kaputt) und bei der Figurenrede, die sich gelengentlich zum Unaufdringlich-Sentenzen- haften steigert, im verhaltenen, ironischen Humor und nicht zuletzt im objektiv-subjektiven Figurenaufbau, in der beseelenden Anverwandlung auch der Nebenfigur durch den Dichter, der selbst durch Schickedanz in Tonfall und Gedanken spricht. Uber die Gestaltung heißt es zusammen­fassend:Der Text ruht auf solcher Art von Quadern (wie .Invalide ist ja doch eigentlich jeder 1 oder ,Sei freundlich gegen die Leute und nicht zu sparsam ... ', Bie.); sie verleihen ihm seine Statik. Nichts Säulenhaftes dabei, keine thronende Feierlichkeit... Die Sprache ist gelöst und setzt sich ungezwungen in Handlung um. 5Der Schwebezustand zwischen Gefühlswallung und diskreter Ironie ist durchgehalten wie später beim Duktus des alten Stechlin. Der Unterschied liegt im Duktus der Rede. Statt des anspielungsreich verschlungenen, oft weitausholenden, nuancierten Konversationstons des Landedelmanns werden hier nur kurze Sätze an­einandergereiht, knappe Redewendungen, in ihrer Drastik dem Volk abgehorcht. 6

Die Szenenanalyse beweist die am Eingang des Essay-Bandes geäußerten, hier zitierten Sätze (S. 14). Beim reifen Fontane kann man eben wie beim guten Gedicht vom Einzelnen ausgehen, ja bei der Demonstration sich auf dieses konzentrieren, weil infolge der gleichmäßigen Durchgearbeitetheit und Beseeltheit des ganzen Textes bereits in ihm in signifikanter Weise das Ganze angedeutet ist.

Fontane ist für Minder im Menschenbild wie in der Gestaltung ein Dichter des Maßes. Im Maßvollen, Reellen und Soliden sieht er Größe, aber auch Grenze, die er im zweiten Teil des Essays durch Bezüge zu außerdeutschen Erzählern des 19. Jahrhunderts und zu deutschen Modernisten des 20. Jahr­hunderts nachzuweisen versucht. Zunächst ist es verdienstlich, daß an ver­gessene bzw. wenig bekannte Äußerungen Alfred Döblins und Gottfried Benns über Fontane erinnert wird. Wir halten sie trotz ihrer Negativität für so wesentlich, daß ihr Kern hier in vollem Wortlaut wiedergegeben wird. Alfred Döblin schrieb 1921 über Fontane: ... Er eignet sich für kein Piedestal, nicht nur wegen seiner Abneigung gegen das Feierliche. Ihn als Persönlichkeit neben Goethe zu rücken, dieses Unrecht. In seinen besten Sachen hatte er eine ruhige wissende verzichtende Geistigkeit; Geist kann alles haben; es ist zu fragen, wer ihn hat, wofür er ihn hat. Fontane hatte einen Blick für die menschliche Schwäche; das Wort ist symptomatisch: .menschliche Schwäche', weder bei Dostojewski noch bei Tolstoi, Flaubert findet man dergleichen. Mir wird flau bei dem Ausdruck. Es ist etwas Philiströses daran, nicht etwas, peinlich viel... Welches Vergnügen hat der gebildete Spießbürger, der Mann in besseren Verhältnissen, an diesen Schilderungen der .kleinen Freuden und Leiden' des Menschen. Dies Vergnügen legt bloß die ganze Entartung, die den Bürger in den verflosse­nen Jahren erfaßt hat... Jedes Kunstwerk ist Darstellung und Urteil. Nichts gegen Fontanes Darstellung, aber sie fließt bei ihm in das Urteil herüber wie guter Käse, saftig und ohne Teilstrich. Urteil hat sich an Urteil zu reiben und muß dies erdulden. In seinen Büchern steht wie in wenig