hunderts, mit den deutlichen Zeichen des Abstiegs, sah dann wieder ganz anders aus.
Daß Fontane in den fünfziger Jahren durch seine Stellung im Dienste der Regierung Manteuffel sich nicht ganz frei fühlte und Konzessionen in seiner Berichterstattung machte, darauf hat Reuter mit Recht hingewiesen, und der Angriff gegen Dickens mit der Verleugnung Heines und Herweghs ist ein treffendes Beispiel dafür; nicht aber das Kapitel „Parallelen“ in „Ein Sommer in London“, auf das Reuter schon einmal an anderer Stelle eingegangen ist. Wenn Fontane auf Grund seiner Beobachtungen des englischen Erziehungssystems und gesellschaftlichen Lebens den Unterschied zwischen Deutschland und England auf die kurze Formel bringt, England sei aristokratisch und Deutschland demokratisch (mit der wichtigen Einschränkung, daß Deutschland keine politische Demokratie habe), so zeigte er eine durchaus richtige Einsicht in die Klassenstruktur des englischen Staates. Die bekannten Eingangsworte dieses Kapitels von der „beziehungs- und bedingungsweisen Richtigkeit“ seiner England-Briefe, die unterhalten und anregen wollen und im Widerstreit mit anderen Meinungen erst der Wahrheit näherkommen können, ist ein ernst zu nehmendes Bekenntnis, das vielen seiner Arbeiten gilt.
Wenn der Herausgeber am Anfang seiner Einleitung den Umfang der Schriften und Briefe über England und Schottland auf 5 000 Druckseiten schätzt, so scheint mir diese Zahl doch zu hoch gegriffen; wenn auch noch einiges in Zeitungen oder Akten vergraben sein mag, der größte Teil dieser Arbeiten ist jetzt doch wohl bekannt. Wie dem auch sei, diese zwei schönen Bände machen in sorgfältiger Edierung eine recht umfangreiche Auswahl einem weiteren Publikum zugänglich, das hier eine sehr wesentliche Seite von Fontanes Leben und Schaffen vor sich hat. Diese Ausgabe steht würdig an der Seite der schon früher vom Verlag herausgegebenen „Wanderungen durch Frankreich - Erlebtes 1870/71“.
Das große Theodor Fontane Buch, Herausgegeben von Werner Pleister, R. Piper u. Co. Verlag, München, Zürich 1980
[Rez. Paul Conrad, Kleinmachnow]
Ein gut ausgestatteter Band! Briefe Fontanes, Zeugnisse seiner Zeitgenossen und Stellungnahmen zu seinen Werken aus jüngerer Zeit belegen eindrucksvoll den oft beschwerlichen Werdegang unseres Dichters. Aufgelockert wird dieser Abriß durch eine Anzahl von Reproduktionen, bei denen neben gängiger Ware auch einiges vorgestellt wird, das dem Fontanefreund seltener geboten wird, wie etwa das Bildnis Ravene oder der junge Offizier George Fontane. Die Aussagekraft der beigefügten Gemälde w ird freilich durch das Kleinformat etwas beeinträchtigt (Eisenwalzwerk). Einige Ungenauigkeiten im Text müßten bei einer Neuauflage berichtigt w erden. Der Briefpartner Fontanes, Georg Friedlaender, schrieb sich mit
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