großen Monographien der 70er Jahre fortzuführen (vgl. S. 7). Gegen Reuter wird (indirekt) eingewandt, daß die historisch-genetische Darstellung mit Blick auf die Vollendung des Dichters im Spätwerk notwendige Vereinseitigung gegenüber vorangegangenen Phasen mit sich gebracht habe. Wechselwirkungen, Vermittlungen, die komplizierte Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität seien gefragt und zu untersuchen — nicht zuletzt dank der bahnbrechenden Gesamtdarstellung von H. H. Reuter u. a. Und obwohl das Zustandkommen eines solchen Gemeinschaftsbandes bis zuletzt gefährdet war (vgl. Einleitung S. 15), man sich Ergänzungen in Richtung auf die „Wanderungen“, die Kriegshistorik, Fragmente u. a. denken kann, stellt das Ensemble der behandelten Fragen einen repräsentativen Aufriß dar.
Der Rezensent einer solchen Arbeit sieht sich vor die kaum lösbare Aufgabe gestellt, den Reichtum des Buches nicht ausschöpfen zu können, seinen Wert jedoch möglichst vielen Lesern nahebringen zu wollen. (Kurzfristige Absagen im Rezensionsteil dieses Heftes machten zwar eine räumliche Ausdehnung möglich, dennoch werden Autoren und Leser des Buches um Nachsicht gegenüber mancherlei Verkürzung gebeten.)
Gleich der erste Beitrag von P. Bange ist Reuter auf kritische Weise verpflichtet. Fontanes Persönlichkeit entziehe sich durch Widersprüchlichkeit einer linearen Kurve. „Wo ihn einordnen? Ist er ein Demokrat (der ,mehr und mehr Sozialdemokrat* wird) oder der Sänger des traditionellen Preußen und des Adels? Ist er ein Konservativer, der nach und nach liberal wird? Aber wie soll man dann seinen Radikalismus von 1848 erklären? Ist er im Gegenteil ein Liberaler, der konservativ wird? Aber was soll man dann mit zahlreichen Äußerungen seiner letzten Jahre machen?“ (S. 17)
B. will mit diesen Widersprüchen arbeiten. Die zentrale Frage, die er mit seiner These „zwischen Mythos und Kritik“ aufsucht, betrifft das Verhältnis des Dichters zur Wirklichkeit. Dieser Begriff wird weit und strukturiert verstanden: als Spannungsfeld von herrschenden und geschichtlich gewordenen Verhältnissen. Analyse und Entwurf, Erfindung und Tatsachenbindung in Weltbild und Gestaltung rücken in den Vordergrund einer Linienführung, die in Phasen gegliedert wird; “Eine Skizze über Fontanes Entwicklung bis zu den Romanen“ (so der Untertitel).
1- „Der heldenhafte Apotheker“ (1839—44) — mithin die Jahre, die Fontane im Banne literarischer Vorbilder des Vormärz gestanden habe, wird als Phase begriffen, in der Poesie aus Protest und illusionärer Begeisterung entstanden sei. Die private Grunderfahrung der Isolation (als Kolonist, als Sohn zerstrittener Eltern, aus Verhältnissen, „in denen nie etwas stimmte* (S. 21), habe F. zur Literatur gedrängt, ihn als „Entwurzelten“ jedoch gleichzeitig romantisch und spießbürgerlich dichten lassen (was sicher näher zu bestimmen bleibt).
2 - „Acht Preußenlieder“ nimmt B. als Symptom für einen Neubeginn, der nicht nur mit dem „Tunnel“ verbunden ist, mit neuer Verwurzelung ln einem Freundeskreis, vor allem habe ihn diese Bindung zu einer Art
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