Heft 
(1981) 32
Seite
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G. Friedrich schreibt überFontanes Kritik an Paul Heyse und seinen Dramen. Das Gesamtbild der Beziehungen zwischen F. und H. steht dabei im Vordergrund (unter Bezugnahme auf G. Erlers Vorwort zur Briefaus­gabe im Aufbau-Verlag 1972, vgl. A. 1). Dieses Bild wird kenntnis- und detailreich nachgezeichnet und um interessante Beobachtungen aus den Kritiken ergänzt; gelegentlich auch in seinen Konturen etwas unscharfer als bei G. Erler entworfen. Am Ende gelangt man zu Einsichten von lite­rarhistorischer Dimension.

Im ersten Teil der Darlegungen dominieren die Stadien der Annäherung und erste Abgrenzungsversuche Fontanes. Bewunderung der Produktivität des Tunnelfreundes, Betroffenheit durch dessen Selbstsicherheit stehen nebeneinander. Die Abkühlung des Verhältnisses noch vor Fs. England­aufenthalten, großzügige Hilfe bei F's. Stellungssuche in München (1859), Zusammenarbeit und der Wunsch nach Abgrenzung begleiten eine rund fünf Jahrzehnte überdauernde Beziehung. Nicht die kleinen Gekränkt- heiten und Verstimmungen waren bestimmend, sondern in dem Maße, wie F. die Differenzen als grundlegend empfindet, vermag er offensichtlich den Wünschen des anderen zu entsprechen, ohne sich damit zu identifizieren. Ein Spannungsfeld, gewiß, aber aus heutiger Sicht doch auch viel mehr. Erler hatte die Divergenzen prinzipiell beleuchtet:Man hat die Bezie­hungen Fontanes zu Heyse die Geschichte einer Entfremdung genannt, aber sie sind in Wirklichkeit die Geschichte einer künstlerisch-ästhetischen Polarität von vornherein gewesen. (S. XI f.)

Auch Fr. arbeitet mit diesen Gegensätzen:Deutlich ist jedenfalls, daß Fontane, je mehr er künstlerisch seine eigene Linie findet, immer stärker in Gegensatz zu Heyse und dessen künstlerischem Credo gerät, so daß schließlich beide vor der Öffentlichkeit als Antipoden erscheinen. (S. 110) Insgesamt scheint dies bei ihm weniger zwangsläufig der Fall, und es fragt sich, ob eine weiterführende Studie diese Gegensätze nicht anders einbetten müßte. Gerade bei der Einbeziehung der Dramenkritik gelingt dies dem Verf. überzeugend: Er bleibt nicht bei Fontanes Abneigung stehen,, sondern bezieht theatergeschichtliches Material in die Untersuchung ein. Danach (H. Schanze) muß Heyse auch für Berlin als ein Erfolgsautor der Zeit gelten, und sein Unverständnis für Fs. späte Romane (Effi Briest,Die Poggenpuhls) gewinnt den Rang einer programmatischen Absage.

Der Theaterkritiker Fontane geriet dem Freunde gegenüber in immer größere Schwierigkeiten. Interessant ist, daß dieKritik ihre größte Schärfe erreicht hat, bevor die Welle der großen naturalistischen Dramen zu Fon­tane vordringt... (S. 103) und daß wir mit Fr. erkennen können, daß bei diesen beiden Dichtern unterschiedliche Bedingungen für Literatur und entsprechend ein unterschiedliches Funktionsverständnis von Literatur im Spiele sind. Fontanes Kritik an den Stücken betrifft im Kern immer wieder die Menschenauffassung, die er als unwahr und lebensfremd empfindet. Wir, die wir F. ebenfalls als Suchenden begreifen, können diesen Gegensatz nicht absolut sehen. Beide Dichter reagierten (unterschiedlich) auf die nach­revolutionäre Entwicklung in Deutschland. Es ist ein Verdienst des Verf., mit dem Hinweis auf Heyses Dramenversuche, auf dessenExperimentier-

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