Heft 
(1981) 32
Seite
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das Wie dieser schöpferischen Suche, der Querverbindungen zwischen Erlebtem und Gestaltetem bleibt (wenn möglich) weiter aufzudecken.

A. weiß um die Problematik des vorgeführten Verfahrens (vgl. S. 165); als ein Baustein zur Erfassung des sehr komplexen Gewebes des Altersstils sollte er jedem Analytiker willkommen sein.

Auch Dirk Mende, dessen Analyse vor allemLAdultera gilt, bezieht sich in Exkursen zuEffi Briest auf das Alterswerk. Ihm geht es um die objektivierbaren Beziehungen zur Realität umFrauenleben im 19. Jahrhundert und Fontanes Beitrag zur Darstellung dieser Verhältnisse. Den Ansatz bezieht Verf. von Freud und Marx.Freud, befragt, was ein Mensch gut können müsse, soll gesagt haben:,lieben und arbeiten 1 . (S. 18.3) Mit Marx werden das Wesen der Arbeit und der Charakter der Epoche beschrieben und festgestellt:

Das Begriffspaar von Liebe und Arbeit erweist sich als konstitutiv für das Verständnis der Mehrzahl der Fontaneschen Romane. (S. 184)

M. schreibt knapp und prägnant: Zeitgeschichtliche Fakten und Aussagen, von BebelsDie Frau und der Sozialismus (1879) bis hin zum Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden herangezogen und befragt, um ein tragfähiges historisches Fundament für die Interpretation zu gewinnen. Die folgenden Untertitel zeigen, wie stringent er seinen Grundgedanken verfolgt: Ehe- handel-Kupons-emittierte Zärtlichkeiten-Furor uterusTopp oder die Lust zur Arbeit u. a. m. Das ist hochinteressant, und das muß zu Verkür­zungen zwischen Wirklichkeit und Abbild führen, weil die eigentlich literarischen (kommunikativen) Vermittlungen zwischen Autor und Leser an den Rand der Untersuchung rücken.

Freilich, der Beitrag setzt anders an und hat andere Ziele als andere Analysen. Frauenschicksale wie das der Melanie van der Staaten, Cecile oder Effi Briest werden nicht nur grundlegend soziologisch analysiert (was denn schwer genug bleibt) aus den jeweils unterschiedlichen Thema- Beziehungen bei F. vermag Verf. durchaus Neues zu ihrer Rangfolge zu sagen. Mehr noch: Gerade im Ensemble kränkelnder Frauenflguren bei F. läßt sich der spezifisch historische Befund entdecken. Ein wenig statisch, eben weil der Text nicht als Erzählprozeß im Mittelpunkt steht, aber doch reich an Gedanken und Beziehungen.

»In ,Cecile* thematisierte Fontane eine weitere Variante männlicher Ab­wehrstrategien: Die Frau wird für krank erklärt, so daß sie es am Ende such ist. (S. 196) Die versachlichten Beziehungen inLAdultera seien nur ein anderes Symptom (vgl. S. 192) für einen Aushöhlungsprozeß, den der Dichtet - inEffi Briest bis zum körperlichen Verfall der Heldin getrieben habe. Dennoch sind die Figuren auch in Ms. Sicht nicht allein Opfer der patriarchalischen Zwänge: Körperlicher Verfall erscheint um­gekehrt auch als (hilfloser) Protest gegen die Selbstverwirklichung (S. 203) ~~ die hier nicht allein als eine Frage der Liebeserfüllung, sondern zugleich als Verweigerung der Identitätsflndung durch Arbeit und gesellschaftliche Anerkennung erscheinen kann.Daß einem die Welt so zu ist deutet als doppelten Zwang zur Isolation für die Frauaus gutem Hause .

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