Heft 
(1981) 32
Seite
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Melanie van der Straaten und Mathilde Möhring könnten sich dagegen doch zumindest teilweise behaupten. Aber:So gut schließt es nicht immer ab. Ja der Frau Ravenö-Fall ist ein Ausnahmefall, schreibt F. am 28. 3.89 an Friedlaender ...

Ms. Beitrag gelangt auf diesem Wege zu einer Rangordnung der Werke, die er in einer größeren Arbeit weiterführen will (vgl. A. 71). Man darf schon heute darauf gespannt sein und eine Fortführung auch im Beitrag von Ch. Jolles sehen, die Melusine als eine starke und weitgehend emanzi­pierte Symbolgestalt ansieht (vgl. S. 252 f.).

Auch diePoggenpuhl-Analyse H. Austs geht von der teilweise parallelen Entstehung des Werkes mit denKinderjahren undEffi Briest aus und polemisiert gegen das oft einseitige Interesse der Forschung (Lukäcs, Bange) an diesem Werk. Vorwiegend als Abbild dekadenter Adliger oder nurmehr als Experiment mit der Form gewürdigt, die erst imStechlin zur Reife gelangt sei, sucht A. einen fruchtbaren Neubeginn, wenn er meint, daß bei solchen Urteilen Kunstanalyse und Gesellschaftsanalyse nicht recht ins Verhältnis gesetzt wurden. Insonderheit die sogenannte Handlungs­armut sei zu wenig hinterfragt worden. Handlung möchte er als Funktion verstanden wissen (S. 217), die von verschiedenen Bauelementen konstitu­iert werden könne.

A. nimmt den Text auf neue und anregende Weise ernst und geht vor­behaltlos an die Struktur des Geschehens, die er als Grundsituation der Familie im Zirkel heterogener Kräfte erfaßt: gegenüber den Ahnen der Vergangenheit, den Adamsdorfern, der Hocharistokratie in der Behrens­und Wilhelmstraße sowie der Geldmacht jüdischer Bankiers. Er staffelt das Figurenensemble nach den eigentlich Mitwirkenden und erkennt als Zentrum des Erzählablaufes den Aufbau bestimmter Haltungen der Pog- genpuhls, die ohne den Kontext der Gespräche nur flach, d. h. statisch gesehen werden können. Abstieg und Wandel des Adels können für den aufmerksamen Leser eine Dimension des Entwurfs gewinnen (S. 222 f.): Saubere Arbeitsamkeit und liebenswerte Tüchtigkeit lugten dann hinter den Porträts dieser Aristokraten hervor. Es ist bekannt, daß F. sich eine solche Lesart gewünscht hat, als er anläßlich der Ablehnung des Manu­skripts durchDaheim den Vorwurf zurückwies, der Adel müsse sich verspottet sehen. Nicht nurUnsinn nannte er das, sondern er sprach sogar vonVerherrlichung des Adels.

A. folgt diesem Fingerzeig und entwickelt auf die skizzierte Weise ein neues Lesemodell, indem er die Figuren und die schrittweise aufgebauten Ge­sprächskontexte in Beziehung setzt. Nicht Tüchtigkeit und Bewährung schlechthin treten dabei hervor. Verf. kann überzeugend nachweisen, daß nicht gründerzeitliche Erfolgsmentalität gemeint ist. Zur Diskussion (mit Varianten) steht die Fähigkeit, sich unter gegebenen Bedingungen zu bewähren, auch wenn diese dem Anspruch nicht genügten. Humor und Ironie erzeugten dabei jene Mischung aus Sympathie und Distanz, die im Besonderen Allgemeines aufscheinen lasse. Auf diesem Wege könne das klassenmäßig-ständische Profil der Figuren ausgehöhlt werden, ohne in gründerzeitliches Erfolgsbewußtsein zu münden.

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