Heft 
(1982) 33
Seite
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Ein Bruder /hinter der Szene/ intriguiert gegen seine schöne, aber illegitime Schwester. Als sie legitim erklärt werden soll, wird ihm der Spass zu toll, und der Beschluss festigt sich, sie zu beseitigen. Zwei Mittel gibts: stärkere Dosis Tod; schwächere Dosis Wegführung, Verbannung auf eine Sumpf­insel. Letzteres wird in Szene gesetzt. Ein .Sekretär 1 und ein,Weltgeistlicher zwei kluge Racker, die für eine Pfründe und einen Ratstitel alles tun, führen eine schnöde Komödie auf, die mich wenigstens blos als lumpig, kleinlich, ordinär berührt, die Wegführung erfolgt dann und im letzten Moment findet sich ein ,Gerichtsrat, der Eugenien vom Fleck weg heiratet. Nun ist sie bürgerlich und gedocken. Sie kann nun nicht mehr konkur­rieren ; mit den Prinzessin-Prätensionen ist es vorbei und jeder hat seinen Frieden. Höchst kümmerlich 1 Im Detail ist es wunderschön. Die ganze Fülle Goethescher Weisheit erschliesst sich einem in einer klassischen Sprache. Manches dagegen tief prosaisch.

Sieht man davon ab, dass es ein ,Drama* ist /als solches find ich es öde, dünn, langweilig, stellenweis beinah komisch/ und betrachtet man das Ganze als eine blosse Aneinanderreihung von Personen des Hofes und der Gesellschaft, so stellt sich das Urteil viel günstiger. Man verlangt dann nicht mehr eine Erhebung des Herzens /die entschieden nicht eintritt/, keine grosse Gesamtwirkung, sondern begnügt sich mit Porträts, Charakterköpfen. Diese sind da, sogar in Vollendung.

Am besten sieht man den Unterschied an den Figuren vom .Sekretär und .Weltgeistlichen. Im Drama wirken sie für mein Gefühl unangenehm; was soll die hohe Kunst mit solchen Karten! Dies ist nicht Schuld; Ver­brechen, sondern nur Misere. Einfach als Gesellschaftstypen gefasst, flösst ihre getreue Zeichnung aber ein gewisses Interesse ein. Eugenie ist trefflich durchgeführt und ein Musterbild aristokratischen Empfindens. Aber nach diesen bis zur letzten Szene andauernden Prinzess-Prätensionen macht sich das Hinabsteigen in die Bürgerlichkeit ziemlich komisch, während die Art wie es geschieht für unsere bürgerliche Empfindung zugleich etwas Ver­letzendes hat. Der Gerichtsrat, eine Art Ehren-Schafskopf, spielt eine un­glaublich traurige Rolle. Ich muss noch einmal sagen: in einem Lande reichen, hochangesehenen, selbstbewussten Bürgertums, konnte solch Stück nie geschrieben werden. Es-ist ist höfisch und kleinstaatlich.

ooo O ool

Wolfgang Jung (Wiesbaden)

Kommentar zu Theodor Fontanes Aufzeichnung über Goethes DramaDie natürliche Tochter

Das Original der bisher ungedruckten Aufzeichnung ist verschollen. Text­grundlage ist eine einseitige, von Friedrich Fontane angefertigte maschinen­schriftliche Kopie aus dem Fontane-Archiv Potsdam. Das Blatt trägt die Überschrift:

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