an sich sind gleichgültig, alles Erlebte wird erst was durch den, der es erlebt.“
Ruth Mövius (Mageburg)
Helene Herrmann zum Gedenken
Die uns vorliegende schöne Besprechung Fontanescher Briefe wurde schon 1910 einmal in einer nicht allen bekannten und heute schwer zugänglichen Zeitschrift „Nord und Süd“ (Bd. 133) veröffentlicht. Wir wollen sie heute, 70 Jahre später, nicht lesen, ohne der Verfasserin in Dankbarkeit zu gedenken. Sie war eine außergewöhnliche Frau.
Helene Herrmann, geb. Schlesinger, wurde am 9. April 1877 als Tochter jüdischer Eltern in Berlin geboren. Sie erwarb durch den Besuch der von Helene Lange gegründeten und geleiteten „Gymnasialkur.se für Frauen“ die Hochschulreife und studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte, später auch noch Französisch. 1898 heiratete sie Max Herrmann, den späteren Ordinarius für Germanistik, Literatur- und Theaterwissenschaft an der damaligen Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin. Helene Herrmann gehört zu der ersten Generation von Frauen, die an einer deutschen Universität studiert und ein Abschlußexamen abgelegt haben. Durch Wort und Tat hat sie für die Gleichberechtigung der Frauen an der Universität gekämpft und so für die bürgerlich-humanistische Frauenbewegung Pionierdienste geleistet. 1904 promovierte Helene Herrmann bei Erich Schmidt mit einer Arbeit über „Die psychologischen Anschauungen des jungen Goethe und seiner Zeit“. Bereits 1906 machte sie auf sich aufmerksam durch eine Arbeit über Heines „Romanzero“, und 1908 ist sie Mitherausgeberin von Heines „Gesammelten Werken“.
Trotz erfolgreicher langjähriger Lehrtätigkeit (vorwiegend in Deutsch, Französisch und Latein) sah sie ihre eigentliche Aufgabe in der wissenschaftlichen Arbeit. So ist bekannt, daß sie an Max Herrmanns die Theaterwissenschaft eigentlich erst begründendem Werk „Forschungen zur Deutschen Thatergeschichte des Mittelalters und der Renaissance“ (1914) intensiv teilgenommen und wohl auch ein Kapitel dieses Buches selbst verfaßt hat. Vor allem aber widmete sie sich der Interpretation literarischer Kunstwerke. Wir hoffen, in kürze eine Bibliographie ihrer uns bekannten 38 Essays veröffentlichen zu können. Die von ihr behandelten Themen umfassen u. a. Herder, Droste-Hülshoff, Dehmel, Lenau, Ricarda Huch, Rainer Maria Rilke und, nicht zuletzt, Theodor Fontane. Außer ihrer Interpretation seiner Briefe interessiert uns bis heute die 1912 veröffentlichte Arbeit „Theodor Fontanes ,Effi Briest*. Die Geschichte eines Romans“. Die Arbeit hält, was ihr Titel verspricht. Helene Herrmann zeichnet sorgfältig und liebevoll die Entstehung der „Effi Briest“ nach und vergleicht
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