Heft 
(1982) 33
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Ihnen dato nichts zu berichten, da eine feierliche anhaltende Pause ein­getreten ist 10 , so ist das WortUniversitätsklatsch im weiten Sinne zu verstehen: an der Universität und am Polytechnikum umgehender Klatsch. Äußerem geht daraus hervor, daß es Keller amüsiert, nicht nur Tatsachen zu berichten, sondern diese unter verschiedenen Beleuchtungen zu sehen und manchmal mit Pointen zu versetzen, wie es ein Beispiel zeigt, das gerade Kinkel und den weiter oben angeführten Briefwechsel zwischen Kinkel und Keller im September 1857 betrifft. Darüber schreibt Keller nämlich am 11. November 1857 an seinen Freund Hettner:Auch Kinkel sandte mir jüngst seinen ,Nimrod' nebst einem artigen Freundschafts­eröffnungsbrief, so daß es vor Hochmut ordentlich im Rücken mich kitzelte. 17 Diesem schalkhaften Ton begegnet man wieder und wieder in Gottfried Kellers Korrespondenz.

Zwischen Keller und Friedrich Theodor Vischer sind nicht viele Briefe gewechselt worden, es sind von jeder Seite zehn erhalten. Die von Keller an Vischer gerichteten sind in der vierbändigen Helblingschen Ausgabe von Kellers Briefen wiedergegeben 18 , Vischers Briefe an Keller liegen in der Zentralbibliothek Zürich. In diesem Briefwechsel wird Gottfried Kinkel nicht ein einziges Mal erwähnt.

Dagegen spricht Keller in anderen Briefen von ihm; so schreibt er am 10. Oktober 1867 an Ludmilla Assing 10 :In Zürich haben wir auch einen früheren Agitator, Gottfried Kinkel, der ruhig-fleißig Vorträge über Kunst- und Literaturgeschichte hält und sehr liebenswürdig ist. 20 Kellers Brief vom 12. Juni 1868 an Ludmilla Assing lautet ähnlich:In Zürich lebt jetzt Gottfried Kinkel und macht sich vielfach anregend und vortragend geltend, hat auch einen neuen Band Gedichte erscheinen lassen.,, 21 In seinem Brief vom 9. Januar 1876 an Adolf Exner 22 klingt es anders. Darin berichtet er von einer Reise Diltheys- 1 in die Mittelmeerländer:Er hat in Athen für den Staat Zürich für 3000 Franken Terrakotten-Figürchen aus Tanagra gekauft und ebenso für die Antiquarische Gesellschaft, zum Verdrusse Kinkels, der ganz wütend eifersüchtig auf ihn ist. 2 ' 1 Am 21. April 1871 heißt es an Paul Heyse:Kinkel hat sich von der deut­schen Friedensfeier, der ich auch beiwohnte, ich weiß nicht aus welcher Laune fern gehalten ... K

In den beiden zuletzt angeführten Briefen werden in Bezug auf Kinkel Termini gebraucht, die häufig zur Charakterisierung weiblicher Verhaltens­weisen Verwendung finden. In einem Brief an Theodor Storm geht Keller dann sogar so weit, Kinkels Benehmen mit dem einer Frau zu vergleichen; er erzählt, wie er nach einer Vorlesung, die der Dichter Jordan 20 gehalten hat, den Saal verläßt:Vor mir her ging Kinkel, auch ein Vortrags­virtuose und .schöner Mann 1 , und nun sah ich, wie die beiden sich kurz zunickten und lächelten in einer Weise, wie nur zwei Frauen sich zulächeln können. Ich wunderte mich, wie zwei so lange Kerle und geriebene Luder sich gegenseitig so schofel behandeln mögen. Wahrscheinlich verdirbt das reisende Deklämierwesen etwas diePoeten. 27 Dieser Brief wurde allerdings erst im Jahre 1879 geschrieben. Darauf antwortet Storm am 5. März 1879: Ihre Schilderung in betreff Jordan und Kinkel ist gewiß sehr richtig; im