Heft 
(1982) 33
Seite
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des Künstlers wird, verschreibt sich dieser dem jungen König:Teurer huldvoller König! Diese Tränen himmlischster Rührung sende ich Ihnen, um Ihnen zu sagen, daß nun die Wunder der Poesie wie eine göttliche Wirklichkeit in mein armes, liebebedürftiges Leben getreten sind! Und dieses Leben, sein letztes Dichten und Tönen gehört nun Ihnen, mein gnadenreicher junger König: verfügen Sie darüber als über Ihr Eigentum! Im höchsten Entzücken, treu und wahr Ihr Untertan Richard Wagner Stuttgart. 3. Mai 1864.

Auf dieses alles beziehen sich die Worte Kellers. Das tritt noch klarer hervor, wenn man bedenkt, daß es in Fontanes Notizbuch heißt:mal hat ihn dieser oder diese, mal jener oder jene, .... Die weiblichen Demon­strativpronomen sind in der endgültigen Fassung weggelassen worden. Vielleicht fürchtete Fontane, daß er sonst auch gleich hätte den Namen des Betreffenden angeben können, denn ein Hinweis auf die mehrfache För­derung und Unterstützung durch Gönnerinnen und Anbeterinnen wäre kompromittierend deutlich gewesen.

Die Fassung im Notizbuch gibt im Text nur den Ausspruch Vischers nach Gottfried Keller wieder. Erst nachher hat Fontane senkrecht etwas an den Rand geschrieben, was schlecht alsgenius crepitus, sondern eher als genir crepitus entziffert werden kann. Indem Fontane diese Bezeichnung in die endgültige Fassung aufnimmt, unterteilt er die Aussage in zwei Teile, nämlich in eine Feststellung, deren Urheberschaft er Vischer zuschreibt, und in eine Charakteristik Wagners, deren Urheberschaft Keller zukommt, die aber Vischer vollkommen anerkennt und so zur eigenen macht. Kein Konjunktiv weist auf eine mit Vorbehalt wiedergegebene Aussage eines anderen hin; nach dem Semikolon steht der Indikativ, denn hier deckt sich Vischers Meinung vollkommen mit der Kellers. Diese Stellung zu dem nach Keller Ausgesagten findet sich schon im Notizbuch vor, denn dort steht ja: Von Richard Wagner sagte er (nach Gottfried Keller) ,Der Kerl..Auch hier stimmen also die Vischersche und die Kellersche Auffassung ganz und gar überein.

Der unter dem unmittelbaren Eindruck des Gesprächs stehende Wortlaut des Notizbuches gibt stärker den gesprochenen Stil wieder als der für den Druck bestimmte. Er fängt an mit:Der Kerl ist wie eine femme entrete- nue.der Kerl ist ein Wort, das häufig in Kellers Briefwechsel anzu­treffen ist, von ihm und auch von seinen Korrespondenzpartnern verwendet. Im endgültigen Text heißt es dagegen viel unverfänglicherer. Wenn dieseser auch zu Beginn eines anderen Satzes steht, so leitet es doch hier, wieder Kerl da, den Ausspruch ein. Auch französische Wörter oder Wendungen finden sich in Kellers Briefen und ebenfalls in seinen Schriften, so' zum Beispiel in der Beilage zu dem Brief vom 30. April 1857 an Frei- ligrath, wo es heißt:Ich danke Dir also für Deinen schönen ,Hiawatha, welcher in der Tat unser poetisches Bewußtsein bereichert und beweist, daß es mit diesen artigen Dingen ist tout comme chez nous auch jenseits des Wassers. 81

Ebenso wie bei Keller stößt man bei Fontane bekanntlich immer wieder auf französische Wörter und Wendungen, so an mehreren Stellen in seinem