er acht Jahre später ebenfalls an Karl Zöllner den ausführlichsten Brief über seine Bayreuther Wagner-Erlebnisse richtet (19. 8. 1889).
In seinem „Fontane“ weist Hans-Heinrich Reuter 93 auf den Seiten 718 und 719 auf etliche Briefe hin, in denen Fontane über seinen im Sommer 1889 unternommenen Abstecher von Kissingen nach Bayreuth plaudert, besonders von seiner sehr kurzen Gastrolle im Festspielhaus, aus dem er noch vor Ende der Parsifal-Ouvertüre den Rüdezug antritt, weil ihm in dem von 1500 regennassen Menschen gefüllten und nach feuchter Wäsche riechenden geschlossenen Raum und bei dem Tubablasen, „als wären es die Posaunen des Letzten Gerichts“, „immer sonderbarer“ 94 wird. Am ausführlichsten schreibt er darüber am 19. August 1889 an Karl Zöllner, wobei er mit dem Satz abschließt: „Die ganze Geschichte — außerdem eine Strapaze — hatte gerade 100 M. gekostet, und doch bedaure ich nichts. Bayreuth inmitten seiner Wagner-Saison gesehen zu haben ist mir soviel wert.“ 93 Tags darauf schildert er Georg Friedlaender sein Bayreuther Erlebnis. Allerdings faßt er sich dabei wesentlich kürzer. Die Länge der eigentlichen Beschreibung des Hergangs beträgt nur noch ein knappes Drittel von der an Zöllner. Dagegen ist der Schluß fast doppelt so lang wie der oben angeführte Satz: „Hundert Mark waren futsch. Trotzdem tut mir die Reise nicht leid; die Beobachtung dieses Welttreibens — es war ein Hochgenuß, die Fremdenliste zu lesen — hat mich auf höchste interessiert; aus New York oder Boston war gar nichts; Siam, Shanghai, Bombay, Colorado, Nebraska, Minnesota, das waren die Namen, die wirkten.“ 99
Warum H.-H. Reuter in diesem Zusammenhang auf den Brief vom 13. August 1889 an Mete hinweist, ist schwer ersichtlich, da Fontane darin weder Wagner noch Bayreuth erwähnt.
Aber schon am 27. und 28. Juli 1889 hatte er seiner Frau Bayreuth zur Festspielzeit beschrieben, seine Flucht aus „Parsifal“ indessen nur kurz erwähnt. Jedoch kommt er mehrmals wieder auf die immer noch im Festspielhaus verharrenden Menschen zurück, froh, nicht mehr unter ihnen zu sein.
Daß Fontane kein Musik-Enthusiast war, ist eine bekannte Tatsache, die auch aus den oben angeführten Zeilen deutlich hervortritt. Schon in dem Brief vom 13. Juli 1881 an Zöllner betrachtet Fontane den „Ring der Nibelungen“ ausschließlich als literarisches Werk. Gerade hier bringt er aber ungewollt und humoristischerweise einen zweiten Beweis für seine Gleichgültigkeit der Musik gegenüber. Denn welche Mußestunde nutzt er dazu aus, an Zöllner zu schreiben? Das sagt er als Einleitung: „Das ganze Haus ist ausgeflogen, um in Knaufs Hotel (...) ein Konzert zu hören. Nur Mathilde Einzahn und ich sind zurückgeblieben und beschäftigen uns standesgemäß: sie palt Schoten, und ich schreibe Briefe.“ 97 „Standesgemäß“, und man könnte hinzufügen: neigungsgemäß, interessengemäß. Man vergesse nicht, Professor Schmidt zog sich aus einer Treibelschen Gesellschaft zurück, weil so viel gesungen wurde. „Ja, das liebt er nicht. Wenigstens dann nicht, wenn er damit überrascht wird. Es ist eine Schwäche von ihm, und manche nennen es eine Unart“, sagt Corinna 98 .
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