Heft 
(1982) 33
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skript Durchgestrichenes ist in eckigen Klammern wiedergegeben. Diese Stelle ist vor allem stilistisch korrigiert worden. Aber auch inhaltlich ist eine Änderung eingetreten. In der Handschrift hieß es:auf die reinen Höhen der Kunst, daraus istauf die Höhen aller Kunst geworden. Letzteres ist umfassender und weist deutlicher auf den Textzusammenhang hin, in dem es sich ja nicht nur um Musik, sondern auch um Malerei handelt.

Die Melomanen stellen sich also über die Liebhaber aller anderen Künste. Aber da van der Straaten schon vorher angekündigt hatte, er wolle durch seine genauere Erklärung die anderen aus ihrerDämmerung, seinet­wegen auch aus ihrerGötterdämmerung reißen, so daß Melanie sofort verstand, worauf das hinaus sollte, und der Leser mit ihr, so bedeutetIhr soviel wieIhr Wagnerianer. Diese stellen sich also auf die Höhen aller Kunst. Das Adjektivrein tritt zuCasta diva, also bereits zu dem, was die Anmaßung, die Einbildung dieser Menschen ausmacht.

In dem Manuskript hatte van der Straaten seinem Gefühl, einer Kaste nicht mehr gesund empfindender Menschen, einer Kaste Menschen vollerFaxen und Haberei 108 gegenüberzustehen, weit stärkeren Ausdruck verliehen. Nach dem Satz mitPillenschachteln sagt er da: ((Folgendes ist senkrecht an den linken Rand von Blatt 31 geschrieben))Ja, auf Euren Pillenschach­teln, Ihr angekränkelten, Ihr Esoterischen, ihr ((nun folgt ein in Anfüh­rungsstriche gesetztes Wort, das kaum anders gelesen werden kann als:)) tonischen ((darunter steht:)) über und über ((und weiter geht es:)) oder wie sonst noch all die Tonischen ((s. vorvorletzte Anmerkung)) Wörter heißen. Vom Rande vom Blatt 32 schräg herübergeschrieben, ist dieser Satz noch einmal leicht abgewandelt aufgenommen.

Diese Ausdrucksweise hat Fontane also auch erwogen, sie entsprach für ihn einer Wirklichkeit. Dann hat er sie aber doch gestrichen. Er hat es wahrscheinlich nicht für geschickt gehalten, Melanie als angekränkelt hin­zustellen, was ihrer Handlungsweise im Laufe des Romans schlecht entsprochen hätte. Den Gedanken des esoterischen Verhaltens der Wagne­rianer hat er dagegen nicht fallenlassen. Im siebenten Kapitel sagt Melanie zu Rubehn, daß Anastasia und sie selbstjener kleinen Gemeinde zu­gehören, deren Namen und Mittelpunkt sie ihm nicht zu nennen brauche. Hier weicht übrigens die endgültige Fassung kaum von der Handschrift ab. Ist das Angekränkelte vollkommen verschwunden? Mitnichten, die unrea­listische, die ungesunde Sicht der Dinge findet sich in der Diskrepanz zwischen dem sehr normalen, aber durchaus prosaischen Namen des enthusiastischen Wagnerianers Schulz und dem dazu in lächerlichem Gegensatz stehenden anspruchsvollen Vornamen Elimar, desgleichen in dem seines weiblichen Pendants, des in den häuslichen Konzerten Wagner interpretierenden Musikfräuleins Anastasia Schmidt. Das ist Mißstimmig- keit zwischen Wirklichkeit und Anspruch.

Was den Gegenstand dieser Verehrung, nämlich Wagner betrifft, so ist gerade er in van der Straatens Augen dazu angetan, eine solche Verwirrung zu stiften. Im Manuskript bezeichnet ihn van der Straaten im wesentlichen mit denselben Ausdrücken wie in der endgültigen Fassung. In dieser ist

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