Heft 
(1982) 33
Seite
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Sprünge vor Übermut . 16 Audi die Wiese, auf der der junge Stechlin mit seiner Freunden den Lehrer Krippenstapel mähend antrifft, war offen­sichtlich ein Teil seines Deputats.

Man bescheidet sich in seinen eng gezogenen Grenzen. Doch ein Rest Sehnsucht bleibt.

Ergreifend klingt bei Merckel die Rückschau des Lehrers Wolff auf seine Berufstätigkeit:

Wenn man immer von Italien, von den Pyramiden und den Tempeln und den Palmen und den Zedern liest, und weiß doch, daß man wird begraben werden, ohne von Gottes prächtiger Schöpfung und von der Menschen Herrlichkeiten etwas andres gesehn zu haben, als die Spindelwitzer Flur... 17

Wilhelm Raabe läßt imHungerpastor den Armenlehrer Silberlöffel im ähnlichen Sinne sprechen:Ich habe auch Hunger gehabt nach der Ferne, aber im Schatten mußte ich bleiben, auf einen kleinen Raum im Schatten war ich gebannt . 18

Die Aufgeschlossensten und Aktivsten unter den Lehrern fühlten sich natürlich im täglichen Schuleinerlei nicht ausgelastet. Sie strebten nach wissenschaftlicher Fundierung ihrer Arbeit, die freilich auf Grund ihrer fragmentarischen Vorbildung lückenhaft bleiben mußte. So entstand not­wendigerweise eine Diskrepanz zwischen dem Selbstbewußtsein der sich auf ihre wissenschaftliche Bildung (im weitesten Sinne) berufenden Schul­meister und ihrem tatsächlichen Wert. (Autodidakten übertreiben im­mer 19 ) Dazu Büchsei:Die Lehrer bewegten sich gern in wissenschaftlichen Formen, ohne darin recht zu Hause zu sein. 211

Da kann es dann imStechlin zu solchen Szenen kommen wie dieser, wo es bei der Besichtigung der Kirche um deren Baugeschichte geht. Assessor von Rex ( ... zu dessen Ressort auch Kirchenbauliches gehörte ... 2I ) wendet sich an Dubslav von Stechlin, da er gern ins Detail gegangen wäre. Doch der muß die Antwort schuldig bleiben, während Krippenstapel mit einem Hinweis auf eineneuerdings erschienene Broschüre aufwarten kann. Die Formulierung Fontanes ist aufschlußreich. Rex hatte sich an Herrn von Stechlin gewandt, nicht als an einen Wissenden, so doch an einen Eben­bürtigen. Eine diesbezügliche Fachfrage von einem Kirchenpatron nicht beantwortet zu bekommen, das nimmt man hin, aber eine richtige Antwort von einemABC-Pauker zu erhalten, das ist schlechterdings degoutant. Der Lehrer soll nicht in Gebiete vorstoßen, in denen er nichts zu suchen hat!

Man braucht sie, aber man wahrt ihnen gegenüber die Distanz, die die Gesetze der damaligen ständischen Gliederung vorschrieben.

Aufschlußreich ist auch der Bericht vom Besuch in der Wohnung Krippen­stapels. Man tritt ein, nimmt auch, um die Dehors zu wahren, einen Stuhl und stützt sich auf die Lehne aber man setzt sich nicht. Eine gemütliche Plauderrunde, in der Krippenstapel als gleichberechtigter Partner seinen Gästen gegenüber auftreten könnte, hieße, dessen Stellung aufzuwerten.

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