Sprünge vor Übermut .“ 16 Audi die Wiese, auf der der junge Stechlin mit seiner Freunden den Lehrer Krippenstapel mähend antrifft, war offensichtlich ein Teil seines Deputats.
Man bescheidet sich in seinen eng gezogenen Grenzen. Doch — ein Rest Sehnsucht bleibt.
Ergreifend klingt bei Merckel die Rückschau des Lehrers Wolff auf seine Berufstätigkeit:
„Wenn man immer von Italien, von den Pyramiden und den Tempeln und den Palmen und den Zedern liest, und weiß doch, daß man wird begraben werden, ohne von Gottes prächtiger Schöpfung und von der Menschen Herrlichkeiten etwas andres gesehn zu haben, als die Spindelwitzer Flur... “ 17
Wilhelm Raabe läßt im „Hungerpastor“ den Armenlehrer Silberlöffel im ähnlichen Sinne sprechen: „Ich habe auch Hunger gehabt nach der Ferne, aber im Schatten mußte ich bleiben, auf einen kleinen Raum im Schatten war ich gebannt .“ 18
Die Aufgeschlossensten und Aktivsten unter den Lehrern fühlten sich natürlich im täglichen Schuleinerlei nicht ausgelastet. Sie strebten nach wissenschaftlicher Fundierung ihrer Arbeit, die freilich auf Grund ihrer fragmentarischen Vorbildung lückenhaft bleiben mußte. So entstand notwendigerweise eine Diskrepanz zwischen dem Selbstbewußtsein der sich auf ihre wissenschaftliche Bildung (im weitesten Sinne) berufenden Schulmeister und ihrem tatsächlichen Wert. („Autodidakten übertreiben immer“ 19 ) Dazu Büchsei: „Die Lehrer bewegten sich gern in wissenschaftlichen Formen, ohne darin recht zu Hause zu sein “. 211
Da kann es dann im „Stechlin“ zu solchen Szenen kommen wie dieser, wo es bei der Besichtigung der Kirche um deren Baugeschichte geht. Assessor von Rex („ ... zu dessen Ressort auch Kirchenbauliches gehörte ... “ 2I ) wendet sich an Dubslav von Stechlin, da er gern ins Detail gegangen wäre. Doch der muß die Antwort schuldig bleiben, während Krippenstapel mit einem Hinweis auf eine „neuerdings erschienene Broschüre“ aufwarten kann. Die Formulierung Fontanes ist aufschlußreich. Rex hatte sich an Herrn von Stechlin gewandt, nicht als an einen Wissenden, so doch an einen Ebenbürtigen. Eine diesbezügliche Fachfrage von einem Kirchenpatron nicht beantwortet zu bekommen, das nimmt man hin, aber eine richtige Antwort von einem „ABC-Pauker“ zu erhalten, das ist schlechterdings degoutant. Der Lehrer soll nicht in Gebiete vorstoßen, in denen er nichts zu suchen hat!
Man braucht sie, aber man wahrt ihnen gegenüber die Distanz, die die Gesetze der damaligen ständischen Gliederung vorschrieben.
Aufschlußreich ist auch der Bericht vom Besuch in der Wohnung Krippenstapels. Man tritt ein, nimmt auch, um die Dehors zu wahren, einen Stuhl und stützt sich auf die Lehne — aber man setzt sich nicht. Eine gemütliche Plauderrunde, in der Krippenstapel als gleichberechtigter Partner seinen Gästen gegenüber auftreten könnte, hieße, dessen Stellung aufzuwerten.
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