Heft 
(1982) 33
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ist diese Gemeinschaftlichkeit dazu fähig, Grete eine Möglichkeit der Wie­dereinordnung bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihres individuellen Anspruchs zu bieten. Ihre Bitte um Wiedereingliederung wird abgewiesen, das Erbe wird ihr als Nichtmehrdazugehöriger, als Außenseiterin verwei­gert. Am Schluß steht so individueller Terror einer Wahnsinnigen, einer über dem Widerspruch zwischen Wollen und Vollbringen Zerbrochenen: die Brandstiftung und Vernichtung der ganzen Stadt Tangermünde. Fontane geht es, so gesehen, meiner Meinung nach nicht um eine Auflösung des angegebenen Widerspruchs, sondern mehr um die Verdeutlichung und Problematisierung desselben, da, wie Fontane richtig erkennt, in einer sich zunehmend kapitalisierenden Wirklichkeit für die Verwirklichung des menschheitsemanzipatorischen Anspruchs immer weniger Raum bleibt. Fontanes Grundüberzeugung kommt wohl am ehesten in den Worten des alten Gigas zum Ausdruck, die dieser gegenüber Grete äußerte:Wir müssen in unserem Tun, ob wir nun fliehen oder ausharren, einem höheren Rufe Folge leisten. (S. 51) Nur Einsicht und Erkenntnis der objektiven Gesetze der Gesellschaft kann zu einer im menschlichen Sinne positiven Veränderung dieser Gesellschaft führen, wodurch einzig und allein auch der Anspruch auf menschheitliche Emanzipation erfüllbar werden kann. Textzitate und Seitenangaben nach:

Theodor Fontane, Werke (Nymphenburger Ausgabe), Bd. 3, München 1959.

Hans Ester (Nijmegen)

Zur Gesellschaftskritik in FontanesGrete Minde

Der zur Diskussion stehende Aufsatz über Fontanes NovelleGrete Minde hat einen sehr klaren, logischen Aufbau. Der Leser kann die Argumen­tation gut nachvollziehen, die zur Bejahung des zweiten Teils der im Titel gestellten Frage führt. Dennoch (oder gerade infolgedessen) möchte ich an dieser Stelle einige kritische Bemerkungen machen, die zum Teil prinzi­pieller Natur sind.

Der Verfasser sieht seine zu Anfang aufgeworfene Frage nach der richtigen Deutung vonGrete Minde als logische Folge der bisherigen Ergebnisse der Fontane-Forschung. Diese Forschung wandte sich in der Hauptsache den Werken des Dichters zu, die in oder nahe seiner eigenen Gegen­wart spielen. Als Ausnahme muß der Verf. macht dies selber auch die NovelleSchach von Wuthenow genannt werden. Und auchVor dem Sturm ist in dieser Gesamtdeutung nicht unberücksichtigt geblieben. Was die Zahl der diesen Werken gewidmeten Studien betrifft, hat der Verf. mit seiner allgemeinen Beobachtung ohne Zweifel recht. Auf Grund der Quantität die Forschung können wir von stiefmütterlicher Behandlung reden. In bezug aufGrete Minde kommt zur geringen Aufmerksamkeit der Forschung noch die einseitige Auslegung hinzu.Grete Minde ist

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