S So heißt es nach der Beerdigung ihres Vaters: „So saß sie und starrte vor sich hin und fröstelte. Und nun sah sie plötzlich auf und gewahrte, daß das Abendrot ln den hohen Chorfenstern stand und daß alles um sie her wie ln lichtem Feuer glühte: die Pfeiler, die Bilder und die hochaufgemauerten Grabsteine. Da war es ihr, als stünde die Klrch rings in Flammen, und von rasender Angst erfaßt, verließ sie den Platz, auf dem sie gesessen, und floh Uber den Kirchhof hin.“ („Grete Minde“, S. 41).
Audi darf nicht übersehen werden, daß Grete Minde eng verwandt ist mit anderen Fontaneschen Frauenfiguren, von Marie Kniehase bis EfTi Briest.
Jörg Thunecke (Nottingham)
Klosteridyll und Raubmörderidyll 1
Oben zitierter Aufsatz von Klaus Globig zu Theodor Fontanes historischer Novelle Grete Minde weist sich einerseits positiv aus durch den Hinweis auf „zeitgenössische politische Probleme“ (S. 5) im Deutschen Reich der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts und den Appell Fontanes zur Versöhnung von Klassengegensätzen (S. 2); andererseits jedoch verliert Globigs Ansatz viel mangels Einzelheiten, die die Argumentation untermauern könnten. Ein solcher Punkt soll im folgenden näher erörtert werden, wenn nämlich der Verfasser mit Bezug auf seine kurzen Ausführungen zum 16. Kapitel in Fontanes Novelle (Untertitel: ,Die Nonnen von Arendsee') mit der Bemerkung abschließt, „daß das Ende in der Idylle (für Grete) undenkbar (sei).“ (S. 8) An dieser Stelle wäre es nun in der Tat notwendig gewesen, näher auf die Funktion der Idylle im späten 19. Jahrhundert einzugehen, insbesondere auch auf ähnliche zeitgenössische Abhandlungen selbigen Themas, wie dies etwa in Wilhelm Raabes Erzählung Horacker geschieht, die ungefähr zur gleichen Zeit (1876) wie Fontanes Novelle veröffentlicht wurde. 2
Die einschlägige Forschung zu diesem Bereich hat einwandfrei feststellen können, daß die bürgerliche Idylle als literarisches Genre jeweils „in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen, in Perioden zugespitzter Klassengegensätze Raum (gewinne)“ 3 , seit dem frühen 19. Jahrhundert „immer stärker Refugium vor den äußeren Mächten“ 4 geworden sei und einer feindlichen Außenwelt gegenüber einen Antipol bilde, indem sie „eine Welt ohne Widersprüche und soziale Spannungen“ 5 darstelle. Andererseits ist aber ebenfalls eindeutig bewiesen worden, daß „die ideologische Funktion der Idyllendichtung“ 0 sich durch die sich verschärfende Klassenkampfsituation im späten 19. Jahrhundert grundlegend veränderte, indem „anti-idyllische“" Tendenzen adoptiert wurden.
Gerade unter diesem Aspekt ist nun in jüngster Zeit Wilhelm Raabes Horacker interpretiert worden 8 ; ähnlich wie Raabe die Gansewinckler Pfanhausidyllik zerstört 0 , indem „die überkommenden Formen der Idylle und des Räuberromans“ 10 parodiert werden 11 , muß wohl auch die Weigerung Grete Mindes verstanden werden, das Angebot der Domina auf .Freistatt* im Kloster anzunehmen 12 , eine Ablehnung „aus innerer Notwen-