digkeit“, wie der Verfasser obigen Aufsatzes richtig erkennt (S. 8); denn wenn Raabe vorführt, daß die idyllische Existenz des .alten Bürgertums 1 ' 5 angesichts der sozialen Situation Horackers und Achterhangs unfähig ist, die hier gestalteten gesellschaftlichen Probleme zu lösen 1 ' 1 , so überrascht eigentlich kaum, daß die idyllische Freistatt des Arendseer Klosters 15 in Grete Minde — wobei unter Idyll ein „kleines, in sich geschlossenes, literarisches Genrebild“ zu verstehen ist, welches „einfache menschliche Verhältnisse fern vom öffentlichen, bewegten Leben im engen Zusammenhang mit der Natur“ schildert, wo „einfache, gutartige Charaktere in behaglich glücklichen Lebensverhältnissen“ 1,1 existieren — vom Autor Fontane für seine Heldin zurückgewiesen wird, nicht nur aus Gründen der Erzähllogik, sondern — und wesentlicher — auf Grund prinzipieller Ablehnung dieses Mode-Genre, einer Erzählhaltung, die sich zu späterem Zeitpunkt (vgl. die Episode in Hankeis Ablage und das Vorstadtidyll in Irrungen, Wirrungen), ähnlich wie bei Raabe und Keller (vgl. die Novelle Die drei gerechten Kammacher) zur Ironisierung und Parodie verfeinert, so daß der Glaube an eine mögliche Autonomie der Idylle gar nicht erst aufkommen konnte.
Anmerkungen
1 Vgl. Wilhelm Raabes Brief an Jensens vom 24. 12. 1875. worin es heißt: „Ich habe ein Buch: Horacker geschrieben, ein .Raubmörderidyll 1 (...)“ in: Wilhelm Raabe: Sämtliche Werke Ergänzungsband 3 (Braunschweiger Ausgabe), Göttingen. 1970, S. 251.
2 Vgl. dazu die Ausführungen des Verfassers dieses Beitrags zur Popularität Horackers in .Bemerkungen zur Rezeption Wilhelm Raabes anläßlich seines 70. Geburtstages am 8. September 1901' in: Hrsg. Leo Lensing/Hans-Werner Peter: Wilhelm Raabe. Studien zu seinem Leben und Werk zum Anlaß des 150. Geburtstages, Braunschwelg, 1981.
3 Leo Nagel: ,Zum Problem der Idyllendichtung 1 in: Weimarer Beiträge 16 (1970) H. 7 S. 89.
Nagel benennt ausdrücklich die Zeit nach der 48er Revolution und nach dem 70er Kriege sowie der Reichsgründung als Höhepunkt der Verbreitung des Genre.
4 Nagel. S. 101.
5 Nagel, S. 102.
6 Joachim Helbig: Zur Modernität Wilhelm Raabes. Seine Erzählung ,Horacker*, Magister Arbeit, Hamburg, 1974, S. 125.
7 Renate Böschenstein-Schäfer: Idylle. Stuttgart, 2 1977, s. 128.
8 Helbig. S. 128 .
9 Helbig. S. 128 . S. 143 spricht er von der „Vernichtung der Idylle“.
10 Hans Oppermann: Wilhelm Kaabe, Reinbeck, 1970. S. 99.
11 Diese Einsicht fehlt z. B. noch bei Barker Fairley: Wilhelm Raabe. An Intro- duction to his Novels, Oxford, 1961, S. 91-107.
12 Vgl. Theodor Fontane: Sämtliche Werke Bd. 3, München, 1959 (Nymphenburger Ausgabe).
13 Dieses ,alte Bürgertum' tritt in Horacker sowohl in der Gestalt des „Anti-Idyllikers Neubauers auf als auch im Idyll der „Alten“ (vgl. den Handlungsablauf des •balsamischen 1 Abends. BA Bd. 12 S. 446).
14 Vgl. Helbig. S. 152.
15 Im 16. Kapitel heißt es auf S. 71:
„Ein paar halbwachsene Kinder, die vor dem Tor der Ausspannung spielten, wollten ihr den Weg zeigen, aber sie zog es vor. allein zu sein, und ging auf die Stelle zu, wo der Heckenzaun und der Kreuzgang war. Als sie hier, trotz allem Suchen, keinen Eingang Anden konnte, preßte sie sich durch die Hecke hindurch und stand nun unmittelbar vor einer langen, offenen Rundbogenreihe, zu der ein paar flache Sandsteinstufen von der Seite her hinaufführten. Drinnen an den Gewölbekappen befanden sich halbverblaßte Bilder, von denen eines sie fesselte:
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