Naso schreibt in seiner Autobiographie 1 , in der es ein Kapitel „Effi Briest“ gibt: „Eines Nachmittags rief Gründgens mich an, ob ich Zeit und Lust hätte, am Drehbuch der ,Effi Briest 1 mitzuwirken. Ich sagte bedingungslos zu. Mit diesem Tage begann eine Arbeit, die ebenso schön wie subtil war. Da der Film eine optische Kunst ist und Sichtbarkeit braucht, Fontane indessen das Geschehen gleichsam unsichtbar werden läßt, weil es ihm nicht auf .Handlung' ankommt, sondern auf die seelischen Wirkungen der Handlung, so galt es das Unsichtbare sichtbar zu machen, ohne die hauchzarte Hülle zu verletzen, hinter der sich die Fontanesehen Schicksale verbergen. — Ich hatte den besten Drehbuchpartner, der sich denken läßt. Nicht nur, daß Dr. Georg Klaren die filmische Technik, die mir damals noch fremd war. am kleinen Finger beherrschte, da er bereits an hundert Drehbücher hinter sich hatte — er besaß ein Gefühl für Dichtung, die gewiß nicht zum Wesen des Filmmetiers gehörte. Und da es mir zugefallen war, die Manen Fontanes im Sinne einer preußisch-märkischen Tradition zu hüten, so ergab sich eine Ehe, die lückenlos harmonierte.“
Und dann schildert Naso. wie diese Arbeit am Drehbuch vor sich ging: „Unangetastet mußte der Fontanesche Dialog bleiben. Weil sich aber manchmal Bilder aus einem einzigen Fontaneschen Satz ergaben, wie etwa jenem: .Noch an demselben Tage hatte sich Baron Instetten mit Effi Briest verlobt' —, ein Satz, der in Handlung aufzulösen war, so mußte für dieses Bild, wie für unzählige andere, ein neuer Dialog geschallen werden, der von dem Fontaneschen Stil nicht abstach. Das war eine rein literarische, sehr reizvolle Aufgabe. Sonst lagen die Schwierigkeiten der Umschaltung wie Fußangeln auf dem Weg.“
Wie dann der Fontanesche Roman in eine Filmerzählung von knapp zwei Stunden verwandelt wurde, das erläutert Naso an verschiedenen Beispielen, von denen hier nun eines angeführt werden soll: „Wir kamen über die sieben Jahre nicht weg, die zwischen dem Ehebruch und seiner Entdeckung liegen. Der Romancier Fontane hatte es gut, er konnte abschweifen, dazwischen liegende Jahre schildern, die dem eigentlichen Elfi-Drama nur lose verbunden blieben, er konnte jeden Zeitraum mit einem Satz abtun und einfach sagen: so war es — der Film konnte es nicht. Er mußte in straffer dramatischer Linie die optische Übersetzung bringen. Wir knabberten an den sieben Jahren herum. Nun gibt es im Film Mittelchen, jeder kennt sie, die geeignet sind, die Zeit zu überbrücken. Ein Kalender blättert ab, wogendes Getreide wird kahles Stoppelfeld. Das wußten wir auch. Aber derartige Mittel ließen sich nur einmal anwenden, nicht siebenmal. Außerdem hatte sie der häufige Gebrauch abgenützt.
So schaffte es Klaren mit einer einzigen kühnen Überblendung Der Abschied von der kleinen unseelig-seeligen Kreisstadt Kessin steht bevor. Crampas hat sich eingefunden, er überreicht Elfi einen Veilchenstrauß. Das Ehepaar Instetten besteigt den Küstendampfer. Elfi lehnt an der Reeling, sie sieht Crampas an der Schiffslände stehen, sieht seinen schmerzlichen Blick und — zum Zeichen, daß für sie das Abenteuer der Sinne zuende ist — läßt sie den Veilchenstrauß fallen. Die Großaufnahme zeigt den Strauß im strudelnden Wasser, die Veilchen verschwinden. Der Strudel
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