zu spielen. Daß es sich hier nicht um willkürliche Überdeutung handelt, geht aus einem Brief Fontanes selbst hervor. Er erläutert am 15. Februar 1888 an Emil Schiff, daß die naive und exakte Wiedergabe der Wirklichkeit nicht sein künstlerisches Ziel sei und gibt als eines der Beispiele: „Schlangenbad ist nicht das richtige Bad für Käthes Zustände; ich habe deshalb auch Schwalbad noch eingeschoben.“ (S. 190) Nicht also die Realität legt Ort und Namen fest, den Fontane wählt, sondern umgekehrt: Der Name, auf den es ankommt, zwingt dazu, noch einen zweiten Ort einzufügen, um der Realität Genüge zu tun. Der Fontaneleser weiß, wie gern gerade dieser Autor mit Namen und ihrer Bedeutung spielt, und er begegnet in Irrungen, Wirrungen dem Motiv der Paradiesesvertreibung, bei der unerlaubte Sexualität eine Rolle spielt, nicht zum erstenmal. Als Botho mit seiner unstandesgemäßen Geliebten Lene Nimptsch einen Wochenendausflug nach Hankeis Ablage macht und sich mit dem Wirt unterhält, der von der überraschenden Berliner Touristengruppe erzählt, lobt Botho die momentane Stille, in der man „wie im Paradies“ schlafen könne — auch dies wieder hintergründig genug, wenn man bedenkt, daß Botho und Lene dort gemeinsam übernachten — und fährt dann fort: „Hoffentlich wird sich kein Spreedampfer mit zweihundertundvierzig Gästen für heute nachmittag angemeldet haben. Das wäre dann freilich die Vertreibung aus dem Paradies.“ (S. 76) Sein Traum vom Paradies ist kurz, denn wenig später wird durch das Erscheinen seiner Kameraden und ihrer „Damen“ die Zweisamkeit des Liebespaares gestört. Den Leser darf das nicht verwundern, denn schon zum zweitenmal ist Botho mit Lene auf einem Abstellplatz, einem „Stapelplatz, .Ablage' für alles, was kam und ging“ (S. 69 f.) — so erklärt der Wirt die Bedeutung von Hankeis Ablage — gelandet. Schon der Spaziergang nach Wilmersdorf ist dafür voaller Zeichen: Vor einer „Bildhauerwerkstatt“ liegen allerlei „Stuckornamente, namentlich Engelsköpfe [...] in großer Zahl umher“ (S. 52); Lene rät die Kegelwürfe richtig, einmal Sandhase und einmal alle neune, d. h. es gibt nur alles oder nichts für sie und Botho; beim Greifenspielen kann „Lene wirklich nicht gefangen werden“ (S. 55); und zum Ausruhen — hier taucht das erwähnte Motiv zum erstenmal auf — setzen sie sich „auf einen hier seit dem letzten Herbst schon aus Peden und Nesseln [!] zusammengekarrten Unkrauthäufen“ (S. 53). Die Idylle von Bothos und Lenes Liebe wird also von Anfang an auf Abstellplätzen angesiedelt. Die möglichen Illusionen des Paares werden durch Fontanes Darstellung selbst untergraben. Daß für die gesellschaftlich unmögliche Beziehung zwischen Botho und Lene die Paradiesesvertreibung beziehungsvoll wirkt, liegt auf der Hand; was aber hat das Wort Schlangenbad mit seinem sündigen Hintergrund mit Käthe zu tun, der sorglosen, immer heiteren Käthe, „die Capricen und üble Laune gar nicht zu kennen schien. Wirklich, sie lachte den ganzen Tag über, und so leuchtend und hellblond sie war, so war auch ihr Wesen.“ (S. 99) Und doch täuscht diese Beschreibung über andere Züge in Käthes Charakter hinweg, die sich aus der Darstellung ihres Schlangenbader Aufenthalts allerdings erschließen lassen, wenn man die Doppelbödigkeit von Fontanes Text, seinen „disguised symbolism“ 2 durchschaut. Das Charakteristische an Fontanes Romanen ist ihre Doppelbödigkeit. Was wie schlichte Wiedergabe der
Heft
(1982) 33
Seite
85
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